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DIE ALPENIM BUCH AUSBLICKE AUF EINE TOPOGRAPfflE IN ...

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Beispiel begriffliche Genauigkeit. Authentisch gleich privât gleich indiskret oder irrelevant und<br />

so weiter ... 173<br />

Keine autobiografische Erzâhlung iiber das Altern 174<br />

also, sondern eine vielschichtige<br />

Parabel zum Verháltnis zwischen Mensch und Natur. Die topografische Situierung der<br />

Erzâhlung kann ais Metapher gelesen werden fiir die existentielle Bedrohung der<br />

Zivilisation, sobald die Natur aus den Fugen gérât. Das Dorf im Alpental wird durch die<br />

andauernden Regenfalle von der AuBenwelt abgeschnitten und die Gefahr eines<br />

Erdrutsches zeichnet sich ab. Damit wird deutlich, wie wenig gesichert letztendlich die<br />

menschliche Existenz gegenuber Naturgewalten ist. Am Beispiel eines alten Mannes wird<br />

gezeigt, welche psychischen und physischen Konsequenzen die Verunsicherung hat,<br />

wenn der Boden unter den Fûiîen nachzugeben droht.<br />

Zum Inhalt: Herr Geiser, pensionierter hõherer Angestellter aus Basel und<br />

verwitwet, lebt seit vierzehn Jahren in seinem Haus im Tessin, wo er nur sporadisch<br />

Besuch von seiner Tochter Corinne und deren Familie erhalt. Seine Alltagsroutine, die<br />

uberwiegend aus Garten- und etwas Hausarbeit besteht, gerãt aus der Bahn, als<br />

sintflutartige Regenfalle das Dorf von der AuBenwelt abschneiden und Herrn Geiser an<br />

das Haus fesseln. Damit ist er seinen Weltuntergangsángsten und Gedanken in der nicht<br />

strukturierten Zeit ausgeliefert, die beginnen, seine Vernunft zu unterhõhlen. Gegen<br />

173 Vergleiche.Butler 1983: 96f., der aus einem Interview von Fritz Raddatz mit Max Frisch aus der<br />

„Zeit" vom 17.4. 1981 zitiert. AuBerdem verweist Butler auf „einen vornehmeren, wenn nicht so<br />

eigenbrotlerischen Vorgânger" von Herrn Geiser: „Montaigne, der sich mit 38 (!) Jahren auf die<br />

Turmstube seines Schlosses zuriickzog, um iiber das Altern und die Letzten Dinge zu meditieren. Auf<br />

die Querbalken an der Decke seiner Bibliothek lie!3 Montaigne 53 Sentenzen aus der Bibel und aus den<br />

antiken Autoren einbrennnen, damit sie ihn an die Eitelkeit des menschlichen Wissensdrangs gegenuber<br />

der unermeMchen Wirklichkeit Gottes erinnern sollten." Butler 1983: 106. In Christoph Geisers Roman<br />

Grunsee wird ebenfalls ein alter Mann erwahnt, der allein auf dem Berg wohnt und sich als<br />

Enzyklopadist der Alpenflora erweist: „Wenn wir ihn mit GroBmutter besuchten, zeigte er uns Kindern<br />

seine Sammlung, deutete mit dem Finger auf die getrockneten Bluten unter dem Glas und nannte jede<br />

beim Namen, lateinisch und deutsch." Geiser 1980: S. 200. Auch bei Geiser ist der Rûckzug des alten<br />

Mannes mit einem Sterbeprozess verbunden.<br />

174 Gerda Zeltner spricht von einem „aus alien Rollen hinausgealterten Mann [...], der sich abhanden<br />

kommt, sich aber zugleich begreift und annimmt als blanke Nichtigkeit in den Gezeiten der<br />

Erdgeschichte." Zeltner 1980: 77. Beatrice von Matt nennt Geiser konkreter den Prototypen „fiir die<br />

allzu vielen, die ihr Leben nicht aus Leidenschait fur eben dieses Leben selber bestimmen [...]. von Matt<br />

1991: 347<br />

175 Vergleiche Hartmut Bõhme 1989: S. 128: ,JJer Stein gibt der Erde den Hait. Darum kann es keinen<br />

grõBeren Schrecken in der Natur geben, als wenn dieser feste Grund des Lebens ins Wanken gérât,<br />

eruptiv aufbricht oder zerreiBt.". In Herrn Geisers Suche nach Rissen in den Hauswanden und im<br />

Asphalt der StraBe spiegelt sich seine grundsatzliche Verunsicherung.(S. 40, 45, 46, 123)<br />

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