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Aspekte der stoischen Ethik in Senecas Bild von Athleten und ...

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Die Verachtung <strong>der</strong> Todesangst führt den Menschen <strong>in</strong><br />

die ewige Freiheit. Es kommt nicht darauf an lange,<br />

son<strong>der</strong>n genügend gelebt zu haben <strong>und</strong> gut zu sterben.<br />

301<br />

Die Dauer des Lebens ist für das Erreichen <strong>der</strong> Eudämonie<br />

ohne Belang. Der Weise hat die Totalität des<br />

Lebens durch die Verwirklichung <strong>der</strong> Tugend (virtus)<br />

an jedem Tag erreicht <strong>und</strong> es kommt lediglich darauf<br />

an, gut zu sterben – bene mori. 302<br />

Hoc animo tibi hanc epistulam scribo tamquam me<br />

cum maxime scribentem mors evocatura sit: paratus<br />

exire sum et ideo fruar vita, quia quam diu<br />

futurum hoc sit, non nimis pendeo. Ante senectutem<br />

curavi, ut bene viverem, <strong>in</strong> senectute, ut<br />

bene moriar: bene autem mori est libenter mori.<br />

(Seneca, Epistulae morales, 61,2)<br />

In dieser Stimmung schreibe ich dir diesen<br />

Brief, als solle mich unmittelbar beim Schreiben<br />

<strong>der</strong> Tod abberufen: bereit b<strong>in</strong> ich, abzugehen,<br />

<strong>und</strong> deswegen erfeue ich mich des Lebens, weil<br />

ich, wie lange das dauern wird, nicht allzu<br />

wichtig nehme. Vor E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> das Alter sorgte<br />

ich dafür, gut zu leben, im Alter, gut zu sterben:<br />

gut zu sterben, heißt gern zu sterben.<br />

301 Die Vollendung <strong>der</strong> Todesverachtung vollzieht sich für Seneca <strong>in</strong> <strong>der</strong> Legalisierung des<br />

Selbstmordes durch e<strong>in</strong>en wohlerwogenen Freitod (eÚlogoß cagwg£). Seneca beschreibt den<br />

Tod <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Trostschrift an Marcia (XX 1-3) als Wohltat (beneficium) <strong>und</strong> als die beste Erf<strong>in</strong>dung<br />

(optimum <strong>in</strong>ventum naturae) <strong>der</strong> Natur. Der Weise wird nach Abwägung aller Momente<br />

<strong>in</strong> klarer Erkenntnis sua sponte aus dem Leben scheiden, wenn er se<strong>in</strong>e Bestimmung nicht<br />

mehr erfüllen kann. Seneca widmet den gesamten 70. Brief dem Selbstmord <strong>und</strong> verweist auf<br />

zahlreiche exempla entschlossenen Sterbens. Zur Bewertung des Selbstmordes <strong>in</strong> den philosophischen<br />

Schriften <strong>Senecas</strong> siehe: Epistulae morales, 4,4; 24,11; 24,25; 26,10; 58,34; 65,22;<br />

96,6; De providentia VI 7-9; De ira III XV 4; De beneficiis III XXIII 5. (Pohlenz, Stoa, S. 156<br />

<strong>und</strong> S. 323; Benz, Todesproblem, S. 54f.; Rozelaar, Seneca, S. 476; Griff<strong>in</strong>, Seneca, S. 391)<br />

302 Seneca, Epistulae morales, 7,3; 13,4; 17,5; 24,15; 24,20; 26,8; 36,8; 69,6; 77,5; 77,12; 78,5;<br />

80,5; 82,8; 93,2; 94,6; Ad Marciam XIX 4-5; De tranquillitate animi XI 4, De brevitate vitae<br />

IX 1 sowie XI 2; Ad Polybium de consolatione XI 3<br />

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