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Aspekte der stoischen Ethik in Senecas Bild von Athleten und ...

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Die Metapher vom Agon des Weisen entfaltet sich bei<br />

Seneca also auch <strong>in</strong> muneraler Metaphorik. Der Weise<br />

tra<strong>in</strong>iert wie <strong>der</strong> Gladiator am Holzpfahl (exerceamur<br />

ad palum) <strong>und</strong> greift im Kampf zu den scharfen Waffen<br />

(remove ista lusoria arma: decretoriis opus est) um<br />

die Tugend im Kampf ohne Begnadigung zu erwerben. 318<br />

Seneca vergleicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> folgenden Passage den Kampf<br />

zweier Gladiatoren mit dem Kampf des Weisen gegen das<br />

Schicksal. 319<br />

Ignom<strong>in</strong>ian iudicat gladiator cum <strong>in</strong>feriore componi,<br />

et scit eum s<strong>in</strong>e gloria v<strong>in</strong>ci qui s<strong>in</strong>e periculo<br />

v<strong>in</strong>citur. Idem facit fortuna: fortissimos<br />

sibi pares quaerit. (Seneca, De providentia III<br />

4)<br />

Für Schande erachtet es <strong>der</strong> Gladiator, mit e<strong>in</strong>em<br />

unterlegenen Gegner sich messen zu sollen, <strong>und</strong><br />

er weiss, dass ohne Ruhm besiegt wird, wer sich<br />

ohne Gefahr besiegen lässt. Ebenso handelt das<br />

Schicksal: die Tapfersten sucht es sich als<br />

ebenbürtige Gegner.<br />

Der Gladiator wünscht sich e<strong>in</strong>en ebenbürtigen Gegner<br />

(ignom<strong>in</strong>ian iudicat gladiator cum <strong>in</strong>feriore componi),<br />

um se<strong>in</strong>e Tapferkeit unter Beweis zu stellen (scit eum<br />

s<strong>in</strong>e gloria v<strong>in</strong>ci qui s<strong>in</strong>e periculo v<strong>in</strong>citur). Ebenso<br />

wird das Schicksal handeln (idem facit fortuna). Der<br />

Weise muss alle Schicksalsschläge <strong>in</strong> Kauf nehmen, um<br />

se<strong>in</strong>e sittliche Vollkommenheit unter Beweis zu stellen<br />

(fortissimos sibi pares quaerit).<br />

318 Seneca, Epistulae morales, 18,8: Exercamur ad palum, et ne <strong>in</strong>paratos fortuna deprehendat,<br />

fiat nobis paupertas familiaris. Üben wir uns am Holzpfahl, <strong>und</strong> damit uns das Schicksal nicht<br />

unvorbereitet überrasche, soll uns die Armut vertraut werden. Siehe auch: Epistulae morales<br />

91,24; 92, 96; 117,25<br />

319 Das <strong>Bild</strong> des tapfer kämpfenden Soldaten hatte für die Metapher vom Agon des Weisen im<br />

ersten Jahrhun<strong>der</strong>t nach Christus unter Nero an Aktualität verloren. Die stadtrömische Bevölkerung<br />

konnte sich vielmehr mit den blutigen Spektakeln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arena identifizieren. Die Metapher<br />

vom Agon des Weisen entfaltet sich <strong>in</strong> den römischen Gladiatorenspielen. Siehe auch:<br />

Steyns, Métaphores, S. 45f.<br />

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