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Aspekte der stoischen Ethik in Senecas Bild von Athleten und ...

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Seneca verurteilt <strong>in</strong> diesem Brief also nicht die Gladiatorenspiele<br />

an sich, son<strong>der</strong>n nur die grausamen<br />

H<strong>in</strong>richtungen im meridianum spectaculum sowie die<br />

Grausamkeit <strong>und</strong> die Massenhysterie (morum perversitas)<br />

<strong>der</strong> fanatischen Zuschauer. 62<br />

Seneca distanziert sich <strong>von</strong> den Tierhetzen (venationes)<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> damnatio ad bestias sowie den Kämpfen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Mittagspause, <strong>in</strong>dem er darauf h<strong>in</strong>weist, dass er<br />

nur zufällig <strong>in</strong> dieses Schauspiel h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geraten sei<br />

(casu <strong>in</strong> meridianum spectaculum <strong>in</strong>cidi). Er weist zudem<br />

darauf h<strong>in</strong>, dass im meridianum spectaculum ke<strong>in</strong>e<br />

konventionellen Gladiatorenpaare kämpfen (hoc plerique<br />

ord<strong>in</strong>ariis paribus et postulaticiis praefe-<br />

runt). 63<br />

Hönle konstatiert <strong>Senecas</strong> Kritik an den Zuschauern <strong>der</strong> Gladiatorenspiele (Hönle, Amphitheater,<br />

S. 75); Wistrand <strong>und</strong> Summers vermuten, dass Seneca die Gladiatoren wegen ihrer virtus<br />

schätzte <strong>und</strong> er nur das Verhalten <strong>der</strong> Zuschauer kritisierte (Wistrand, Enterta<strong>in</strong>ment, S. 16;<br />

Summers, Letters, S. 156); Friedlän<strong>der</strong> konstatiert, dass Seneca <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige Römer sei, <strong>der</strong> sich<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verdammung <strong>der</strong> Gladiatorenspiele zum allgeme<strong>in</strong> menschlichen Standpunkt erhoben<br />

hat. (Friedlän<strong>der</strong>, Philosoph, S. 138) Kritik an den blutrünstigen <strong>und</strong> verabscheunswerten H<strong>in</strong>richtungen<br />

se<strong>in</strong>er Zeit übt Seneca an folgenden Stellen: Epistulae morales 14, 4-5; 95,33; De<br />

ira II VIII 1-2; De clementia III XXIII 1-2<br />

62 E<strong>in</strong>e Passage aus dem Traktat über die Seelenruhe ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang nicht unproblematisch.<br />

Seneca, De tranquillitate animi II 13: Iam flectamus cursum ad Urbem: nimis<br />

diu a plausu et fragore aures vacaverunt, iuvat iam et humano sangu<strong>in</strong>e frui. Rosenbach übersetzt:<br />

Augenblicklich wollen wir den Kurs auf Rom lenken: allzulange haben den Applaus <strong>und</strong><br />

das Getöse die Ohren nicht gehört, Spaß macht es bestimmt, auch Menschenblut zu genießen.<br />

F<strong>in</strong>k wird <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Übersetzung noch martialischer: Kehren wir doch gleich um, nach Rom;<br />

allzu lange haben me<strong>in</strong>e Ohren ke<strong>in</strong>en Beifall <strong>und</strong> ke<strong>in</strong> Schwerterklirren gehört. Schon macht<br />

es wie<strong>der</strong> Freude, sich am Anblick <strong>von</strong> Menschenblut zu weiden.<br />

Diese Übersetzungen <strong>von</strong> iuvat humano sangu<strong>in</strong>e frui implizieren, dass Seneca Gefallen an den<br />

blutigen Massakern gehabt haben müsse. Die Übersetzung <strong>von</strong> Dahlmann ist versöhnlicher. Er<br />

übersetzt „iuvat humano sangu<strong>in</strong>e frui“ mit: „Es freut nunmehr, Menschen <strong>von</strong> Fleisch <strong>und</strong><br />

Blut zu sehen.“ Carcop<strong>in</strong>o löst das Problem, <strong>in</strong>dem er den Blutdurst nicht auf Seneca selbst,<br />

son<strong>der</strong>n auf die Allgeme<strong>in</strong>heit bezieht: „Doch <strong>in</strong> diesem erbitterten Kampf gegen Schauspiele,<br />

<strong>in</strong> denen sich <strong>der</strong> Mensch nach <strong>Senecas</strong> Wort an Menschenblut weidete, iuvat humano sangu<strong>in</strong>e<br />

frui, unterlag die Philosophie.“ Siehe: Carcop<strong>in</strong>o, Rom, S. 338<br />

63 Wiedemann behauptet, Seneca habe ke<strong>in</strong>e moralischen Bedenken gegen die H<strong>in</strong>richtungen<br />

im meridianum spectaculum. Seneca kritisiere nur die Tatsache, dass die H<strong>in</strong>richtungen langweilig<br />

(s<strong>in</strong>e arte) wären. Er habe Nero dazu geraten, die H<strong>in</strong>richtungen nach mythologischem<br />

Vorbild zu imszenieren. Das sche<strong>in</strong>t trotz <strong>der</strong> Aff<strong>in</strong>ät <strong>Senecas</strong> zur griechischen Mythologie<br />

(Tragödien) kaum glaubhaft, da Seneca als Stoiker ke<strong>in</strong>eswegs die grausamen H<strong>in</strong>richtungen<br />

gutheißen konnte <strong>und</strong> schon gar nicht e<strong>in</strong>e Demütigung durch die Nachahmung grausamer<br />

Rituale <strong>der</strong> griechischen Mythologie befürwortete. Die humanitas spielt <strong>in</strong> <strong>Senecas</strong> Philosophie<br />

e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle. Seneca, De ira, Liber III XLIII 5; De clementia II IV 1-2<br />

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