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Peer-Mediation im Schulalltag : ein Handbuch für Lehrer

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oder nicht? Im ersten Fall liegt personale oder direkte Gewalt vor, <strong>im</strong> zweiten strukturelle oder indirekte.<br />

In beiden Fällen können Menschen verletzt, getötet oder sonst wie geschädigt werden.<br />

Des Weiteren unterscheidet GALTUNG zwischen intendierter und nicht intendierter, sowie, zwischen<br />

manifester und latenter Gewalt.<br />

Doch gehen wir nochmals auf den Aspekt struktureller Gewalt <strong>ein</strong>, da dieser Gewalttyp nicht so offensichtlich<br />

ist wie physisch-körperliche Gewaltakte. Während bei personaler Gewalt <strong>im</strong>mer konkrete<br />

Personen als verantwortliche Akteure identifizierbar sind, kann <strong>im</strong> Falle struktureller Gewalt<br />

lediglich auf „anonyme“ Strukturen verwiesen werden. 9 Eine interessante Beschreibung zur Differenzierung<br />

dieser Gewaltarten liegt in der Beachtung der Zeitrelation. „Direkte Gewalt ist <strong>ein</strong><br />

Ereignis. Strukturelle Gewalt ist <strong>ein</strong> Prozess mit Höhen und Tiefen. Kulturelle Gewalt (<strong>ein</strong> Aspekt,<br />

den GALTUNG später <strong>ein</strong>führt) ist <strong>ein</strong>e Konstante, <strong>ein</strong>e ‚Permanenz’, die aufgrund der langsamen<br />

Transformationen grundlegender Aspekte der Kultur über lange Zeiträume hinweg <strong>im</strong> Wesentlichen<br />

unverändert bleibt. GALTUNG vergleicht den zeitlichen Aspekt der drei Gewalttypen mit <strong>ein</strong>er<br />

Erdbebenmetapher: das Erdbeben als Ereignis (direkte Gewalt), die Bewegung der tektonischen<br />

Platten als Prozess (strukturelle Gewalt) und die Bruchlinie zwischen den Platten als <strong>ein</strong> eher permanenter<br />

Zustand (kulturelle Gewalt). 10<br />

Hans Peter NOLTING 11 subsumiert unter dem Begriff der strukturellen Gewalt die „stille<br />

Unterdrückung durch <strong>ein</strong> System sozialer Ungerechtigkeit“. Demnach wird strukturelle Gewalt<br />

legal und allgegenwärtig ausgeübt, indem sie über Gesetze, festgelegte institutionelle Strukturen,<br />

finanzielle Regelungen und vieles andere <strong>ein</strong>en zwar subtilen, da<strong>für</strong> aber permanenten Einfluss<br />

auf das Leben der Menschen ausübt.<br />

Gewalt kann demzufolge als Bestandteil unseres Lebens gesehen werden. Gewalt findet also nicht<br />

nur statt, wenn Kinder sich prügeln, von Erwachsenen geschlagen und misshandelt werden, wenn<br />

Rechtsextreme Häuser und He<strong>im</strong>e anzünden, wenn Schüler Mitschüler/innen bzw. <strong>Lehrer</strong>/innen<br />

umbringen (Littleton 1999, Erfurt 2002, …), oder Terroristen in ihrem sogenannten Freiheitskampf<br />

am ersten Schultag Schüler/innen, Eltern und <strong>Lehrer</strong>/innen als Geisel nehmen und umbringen (Beslan<br />

2004), bzw. wenn Staaten bzw. Politiker/innen mit ihrem Militärstab entscheiden, <strong>ein</strong>en Krieg<br />

gegen die Achse des Bösen zu reiten. Wir begegnen Gewalt tagtäglich, besonders <strong>für</strong> Kinder und<br />

Jugendliche wird sie in zunehmendem Maße zum ständigen Wegbegleiter. Wir begegnen Gewalt<br />

in Interaktion mit Personen und Geschehnissen unserer unmittelbaren sozialen Umwelt, in unseren<br />

Kontakten mit sozialen und gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen, in Aus<strong>ein</strong>andersetzung<br />

mit Wissen, Information und berichteten Erfahrungen, in eigenen Erfahrungen<br />

und Erlebnissen, in alltagspraktischen Handlungsvollzügen etc. Kinder und Jugendliche können<br />

so tagtäglich mit Gewalt in Berührung kommen – als Täter und Opfer. Sie können sich so <strong>ein</strong> durchaus<br />

subjektives und <strong>für</strong> sie realistisches Verständnis von Gewalt bilden. 12<br />

9 GALTUNG 1980, 10ff<br />

10 GALTUNG Johan; Frieden mit friedlichen Mitteln; Opladen 1998, 349f<br />

11 NOLTING Hans Peter; Lernfall Aggression. Wie sie entsteht – Wie sie zu vermindern ist; R<strong>ein</strong>bek 1989, 26<br />

12 THEUNERT 1987, 133; zit. in: SENDERA 1993, 31<br />

13 vgl. BRÜNDEL Heidrun/ HURRELMANN Klaus; Gewalt macht Schule; München 1994<br />

14 Schwerpunktthema der hier vorliegenden Publikation ist die Implementierung von <strong>Peer</strong>-<strong>Mediation</strong> an luxemburgischen Schulen.<br />

Gewalt an Schulen gibt Anlass zu <strong>Mediation</strong>. Das Thema Gewalt soll daher an dieser Stelle nur auszugsweise <strong>im</strong> Sinne<br />

<strong>ein</strong>er Argumentations- und Reflexionshilfe behandelt werden. Ausführliche Texte zum Thema Gewalt und Schule sind – um nur<br />

<strong>ein</strong>ige wenige Publikationen zu erwähnen - z.B. zu finden in: OLWEUS Dan; Gewalt in der Schule; Bern 1996 • HOLTAPPELS H<strong>ein</strong>z<br />

Günter/ HEITMEYER Wilhelm/ MELZER Wolfgang/ TILLMANN Klaus-Jürgen (Hg.); Forschung über Gewalt an Schulen. Ersch<strong>ein</strong>ungsformen<br />

und Ursachen. Konzepte und Prävention; W<strong>ein</strong>he<strong>im</strong> 1999 • HURRELMANN Klaus/ RIXIUS Norbert/ SCHIRP H<strong>ein</strong>z<br />

u.a.; Gewalt in der Schule. Ursachen-Vorbeugung-Intervention; W<strong>ein</strong>he<strong>im</strong>/ Basel 1999 • FORSCHUNGSGRUPPE SCHULEVALUA-<br />

TION (Hg.); Gewalt als soziales Problem in Schulen. Untersuchungsergebnisse und Präventionsstrategien; Opladen 1998 •<br />

STEFFGEN Georges/ EWEN Norbert (Hg.); Gewalt an luxemburgischen Schulen; Luxemburg 2004<br />

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