24.11.2012 Aufrufe

Peer-Mediation im Schulalltag : ein Handbuch für Lehrer

Peer-Mediation im Schulalltag : ein Handbuch für Lehrer

Peer-Mediation im Schulalltag : ein Handbuch für Lehrer

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>für</strong>s Kind. […] Vieles, was früher selbstverständlich geschah, verlangt jetzt – um des gezielten Erfolges<br />

willen – behutsame Einführung und bewusste Aufmerksamkeit der Erziehungsperson. Das<br />

Hin<strong>ein</strong>wachsen des Kindes in die Welt, s<strong>ein</strong>e Entdeckung der Welt wird von den Ratgebern in ‘Funktionen’<br />

zergliedert und soll derart pädagogisch begleitet, dosiert, unterstützt werden.“ 35 Die Autorin<br />

zitiert weiter de MAUSE: Die neue Erziehungsform verlangt „außerordentlich viel Zeit, Energie<br />

und Diskussionsbereitschaft, insbesondere während der ersten sechs Jahre, denn <strong>ein</strong>em<br />

kl<strong>ein</strong>en Kind dabei zu helfen, s<strong>ein</strong>e täglichen Ziele zu erreichen, bedeutet, ständig auf es <strong>ein</strong>zugehen,<br />

mit ihm zu spielen, s<strong>ein</strong>e Regressionen zu tolerieren, ihm zu dienen, statt sich von ihm bedienen<br />

zu lassen, s<strong>ein</strong>e emotionalen Konflikte zu interpretieren und ihm die <strong>für</strong> s<strong>ein</strong>e sich entwickelnden<br />

Interessen erforderlichen Gegenstände zur Verfügung zu stellen.“ 36<br />

Und so sehen wir denn auch Mütter und (seltener) Väter als wandelnde Taxifahrer <strong>im</strong><br />

Dienste ihrer Kinder, die sich mit den Kl<strong>ein</strong>en in Kino-Kindervorstellungen setzen, in den Wartez<strong>im</strong>mern<br />

der Kinderärzte sich drum bemühen, die Kinder zu bändigen, die Kinder zu Freunden auf<br />

Geburtstagspartys zu fahren, zum Babyschw<strong>im</strong>men, zum Ballett, zur Musikstunde, zur etc, etc …<br />

„Die ‘naturwüchsige Kindheit’ ist in vielerlei Hinsicht vorbei, die ‘Inszenierung der Kindheit’ beginnt.<br />

Und auch hier wieder ist Arbeitsverweigerung schwierig, denn diese Inszenierungs-Aktivitäten<br />

entspringen ja nicht <strong>ein</strong>er bloßen Laune der Eltern. Sie haben vielmehr ihren objektiven<br />

Grund darin, daß es unter den Bedingungen der mobilen Gesellschaft Erziehung und Förderung<br />

<strong>ein</strong> Teil der ‘Arbeit zum Statuserhalt’ ist.“ 37 Wo der Zwang regiert, durch individuelle Anstrengungen<br />

den eigenen Platz in der Gesellschaft zu sichern, da wird er notwendigerweise auch ins Kinderz<strong>im</strong>mer<br />

hin<strong>ein</strong>getragen. Doch damit nicht genug, denn „allseitige Förderung all<strong>ein</strong> reicht nicht<br />

aus, es wird auch Achtung vor der Persönlichkeit des Kindes gefordert. Das ist <strong>ein</strong> entscheidender<br />

Unterschied zur Pädagogik des 19. Jahrhunderts, die vielfach offen empfahl, den Willen des Kindes<br />

zu brechen. Die Eltern sollen die Bedürfnisse und Wünsche des Kindes wahrnehmen, verstehen,<br />

respektieren, pointiert auf <strong>ein</strong>en Nenner gebracht: ‘Demokratie ab der Wiege’.“ 38<br />

1.4.1.2 Väter – die großen Abwesenden<br />

„Mit der Entstehung der bürgerlichen Familie und der sie kennzeichnenden Trennung von Berufsarbeit<br />

und Familie kam es zu <strong>ein</strong>er Entfremdung des Vaters vom Alltag der Familie und des Erziehungsgeschehens.<br />

Diese Tendenz wurde <strong>im</strong> weiteren Verlauf erheblich verstärkt, nicht zuletzt<br />

durch die wachsende räumliche Distanz zwischen Arbeitsstätte und Wohnung. Hinzu kommt zur<br />

Gegenwart hin <strong>ein</strong> weiterer Einschnitt: […] <strong>ein</strong> erheblicher Autoritätsverlust des Vaters …“ 39 Die<br />

Vaterrolle wird zunehmend auf wirtschaftliche Funktionen reduziert (er ist derjenige, der die Familie<br />

ernährt: „dem Vater die Arbeit, der Mutter das Kind“). Die ungenügende Greifbarkeit des Vaters<br />

<strong>im</strong> Erziehungsgeschehen hat sicherlich auch Folgen auf das Selbstbild und Engagement der<br />

Väter, wird doch die Vaterrolle zur Nebenrolle: „Der Vater hält auf Abstand. An die Stelle des übermächtigen<br />

Vaters ist der distanzierte Vater getreten. Er herrscht nicht über die ‘S<strong>ein</strong>en’, ist aber<br />

auch nicht aktiver Partner. In der Praxis sch<strong>ein</strong>t die Vaterschaft weder mit großen persönlichen Anstrengungen<br />

noch mit besonderem Engagement verknüpft.“ 40 Die Väter glänzen durch Abwesenheit<br />

41 , und dazu braucht man nicht Situationen heranzuziehen wie Scheidung oder All<strong>ein</strong>erzieherinnen,<br />

sondern es genügen die ganz normalen „Szenen <strong>ein</strong>er Ehe“. Zu fragen ist, in welcher Weise<br />

die Absenz des Vaters auf die Entwicklung des Kindes Einfluss hat: gar k<strong>ein</strong>e, weil, wer nicht da ist,<br />

auch k<strong>ein</strong>en Schaden anrichten kann oder … behindert der abwesende Vater den Ablauf der kindlichen<br />

Entwicklung?<br />

35 BECK-GERNSHEIM 1997, 106f<br />

36 de MAUSE 1980, 85 zit. in: BECK-GERNSHEIM 1997, 107<br />

37 BECK-GERNSHEIM 1997, 107<br />

38 BECK-GERNSHEIM 1997, 108<br />

39 BECK-GERNSHEIM 1997, 98<br />

40 PROSS 1978, 135 zit. in: BECK-GERNSHEIM 1997, 99<br />

41 vgl. BENARD Cheryl / SCHLAFFER Edith; Sag mir, wo die Väter sind; R<strong>ein</strong>bek 1991<br />

<strong>Peer</strong>-<strong>Mediation</strong> <strong>im</strong> <strong>Schulalltag</strong> Modul�Gewalt - Konflikt<br />

93

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!