Peer-Mediation im Schulalltag : ein Handbuch für Lehrer
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In der aktuellen Handlungssituation müssen <strong>ein</strong>zelnen Teilen der Identität Priorität <strong>ein</strong>geräumt werden,<br />
je nachdem was die Situation verlangt, welche Gruppenidentitäten gefragt sind oder welche<br />
biographischen Erfahrungen die Position des Individuums stärken oder festigen können. Zugleich<br />
müssen <strong>im</strong>mer mehr widersprüchliche Aspekte in die persönliche Identität integriert werden.<br />
Kinder und Jugendliche müssen sich daher auf <strong>ein</strong>em <strong>im</strong>mer differenzierteren „Identitätsmarkt“ 24<br />
bewegen und bewähren.<br />
Will man jungen Menschen auch unter den Bedingungen des oben genannten sozialen Wandels<br />
hinreichend behilflich s<strong>ein</strong>, <strong>ein</strong>e eigene Identität zu entwickeln, gilt es Folgendes zu fordern:<br />
- „Kinder und Jugendliche brauchen <strong>ein</strong>e hinreichend haltgebende sozial-ökologische<br />
und kulturelle Umwelt.<br />
- In ihr müssen, zumindest zeitlich befristet, hinreichend verlässliche Bindungs- und<br />
Solidaritätserfahrungen möglich s<strong>ein</strong>.<br />
- Erst diese gestatten es, dass der Heranwachsende elementare Formen der Selbstachtung<br />
und damit des nötigen Selbst- und Weltvertrauens entwickeln kann.<br />
- Beides sind unerlässliche Bedingungen <strong>für</strong> <strong>ein</strong> selbständiges (Über)-Leben in der postmodernen<br />
‘Unübersichtlichkeit’.“ 25<br />
Solch fördernde Umweltbedingungen nennen METZMACHER/ ZAEPFEL in Anlehnung an PETRI und<br />
HONNETH „Bedingungen struktureller Geborgenheit.“ Es handelt sich hierbei um basale Entwicklungsrechte,<br />
und zwar um:<br />
- „ das Recht auf Anerkennung als emotional bedürftiges Wesen <strong>im</strong> Rahmen der Pr<strong>im</strong>ärerziehung,<br />
- das Recht auf Anerkennung als Rechtsperson, die <strong>ein</strong>en Anspruch darauf hat, so gefördert<br />
zu werden, daß sie <strong>ein</strong>es Tages ihre politischen Teilhaberechte autonom wahrnehmen<br />
kann,<br />
- das Recht auf Wertschätzung des individuellen Lebensstil- und Identitätsentwurfs,<br />
d.h. die Anerkennung als <strong>ein</strong>zigartige Person innerhalb solidarischer Sozialbeziehungen.“<br />
26<br />
Des Weiteren schreiben die Autoren: Wir brauchen verstärkt „haltgebende und ermöglichende“<br />
soziale Umwelten <strong>für</strong> Kinder, die rechtlich abgesichert und institutionalisiert sind. Nur in ihnen<br />
lassen sich innerseelische und soziale Fertigkeiten erwerben, die es Kindern gestatten, „ohne Angst<br />
verschieden zu s<strong>ein</strong>“ (ADORNO 1984).<br />
Bezugnehmend auf die Theorie von BECK, der die Biographie- und Lebensplanung der Menschen<br />
in der Risikogesellschaft als „Individualisierungsprozeß“ bezeichnet, worin der Einzelne zum Lebenskünstler,<br />
zum „existentiellen Kl<strong>ein</strong>unternehmer in eigener Sache“ wird, zeichnet sich ab, dass<br />
viele Kinder und Jugendliche in ihrer Lebensführung mit <strong>ein</strong>er enormen Unbest<strong>im</strong>mtheit und Offenheit<br />
konfrontiert sind. „Mehrdeutigkeit, Widerspruch und Konflikt erzeugen <strong>ein</strong> Spannungsfeld,<br />
das zu <strong>im</strong>mer neuen Lebensentwürfen führt [...] In <strong>ein</strong>em sich ständig ändernden „Patchwork“<br />
der Persönlichkeit ist man nicht versucht, <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>deutiges Eigenschaftsprofil auszubilden. D.h. es<br />
gilt k<strong>ein</strong> ‘wahres Selbst’ zu finden, ‘wie <strong>ein</strong>en verlorenen Gegenstand’ (vgl. WEHRSPAN 1990, 163),<br />
sondern Identität ist <strong>ein</strong> lebenslanger Konstruktionsvorgang mit vollkommen offenem Ausgang.<br />
‘S<strong>ein</strong> wird zum Design’, d.h. ‘erfinde dich <strong>im</strong>mer wieder neu’.“ 27<br />
24 WINTER Rainer/ ECKERT Roland; Mediengeschichte und kulturelle Differenzierung; Opladen 1990<br />
25 METZMACHER Bruno/ ZAEPFEL Helmut; Kindheit und Identitätsentwicklung <strong>im</strong> Zeichen (post-)modernen sozialen Wandels; in:<br />
METZMACHER Bruno/ PETZOLD Hilarion/ ZAEPFEL Helmut (Hg.); Therapeutische Zugänge zu den Erfahrungswelten des Kindes<br />
von heute. Integrative Kindertherapie in Theorie und Praxis – Bd.1; Paderborn 1996, 28f<br />
26 vgl. HONNETH Axel; Der Kampf um Anerkennung; Frankfurt a.M. 1992, 148ff zit. in: METZMACHER/ ZAEPFEL 1996, 29<br />
27 METZMACHER/ ZAEPFEL 1996, 51<br />
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