Peer-Mediation im Schulalltag : ein Handbuch für Lehrer
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den Eltern wird erwartet, dass sie sich bei den kindlichen Entwicklungsphasen, bei Risiken, Defiziten,<br />
Schäden und Entwicklungsproblemen auskennen. Sie sollen Aussagen treffen können über<br />
die Trotzphase, das Schulversagen, Verhaltensauffälligkeiten diversester Art, sie sollen ebenso<br />
kompetent bei der Auswahl des pädagogisch wertvollen Spielzeugs und des guten Fernsehprogramms<br />
s<strong>ein</strong> und nebenbei die richtigen Erklärungen geben können zu Persönlichkeitsproblemen<br />
ihrer Kl<strong>ein</strong>en. 33<br />
Nun wissen alle, zumindest die, die Kinder groß gezogen haben, dass diese Anforderungen<br />
an die Eltern <strong>im</strong> Laufe der Jahre nicht weniger werden und mit ihnen wächst nicht selten die<br />
Unsicherheit der elterlichen Erziehungsbemühungen. Ein Sprichwort sagt : „Kl<strong>ein</strong>e Kinder, kl<strong>ein</strong>e<br />
Sorgen - große Kinder, große Sorgen“. Den Eltern fehlen oft die Antworten zu den aufgeworfenen<br />
Erziehungsfragen, dabei stehen sie in guter Gesellschaft mit den Expert/innen, denn auch sie sind<br />
sich in ihren Konzepten und Theorien zum Themenfeld Kind nicht <strong>ein</strong>ig und tappen nicht selten <strong>im</strong><br />
Dunkeln. Die Autoritätsgläubigkeit früherer Zeiten half den Eltern bei der Entscheidung: es galt<br />
den Anweisungen der Expert/innen zu folgen. Heute sind jedoch Eltern gefragt, die sich den eigenen<br />
Weg aus den widersprüchlichsten Ratschlägen selbst bahnen sollen. Doch wie viele können<br />
dies? Die Flut an Informationen und gut gem<strong>ein</strong>ten Ratschlägen schafft nicht selten Verwirrung<br />
und Verunsicherung, die wiederum nach weiteren Informationen suchen lassen.<br />
Das Gebot „bestmöglicher Förderung“ des Kindes, das von allen Seiten her (Freundeskreis, Verwandtschaft,<br />
Fernsehen, Zeitschriften, Schule, …) auf die Eltern <strong>ein</strong>dringt, ist der antreibende<br />
Motor da<strong>für</strong>, dass die Eltern nicht loslassen können und wollen. Schließlich will man sich nicht<br />
<strong>ein</strong>es Tages sagen lassen, man habe nicht alles <strong>für</strong> s<strong>ein</strong>e Kl<strong>ein</strong>en getan oder gar, die Nicht-Beachtung<br />
kindlicher Bedürfnisse habe zu diesen oder jenen Schäden geführt. Mangel an Förderung,<br />
Entwicklungsverzögerung, Leistungsversagen sind Worte, die die Eltern bei der Stange halten,<br />
denn schließlich ist Leistung in unserer sozial mobilen Gesellschaft <strong>ein</strong>e Schlüsselkategorie. Leistung<br />
steht <strong>für</strong> gesellschaftlichen Aufstieg: „Leiste was, dann wirst du was!“ So kommt es denn auch<br />
nicht selten, dass an Elternabenden Väter und Mütter verlautbaren, dass ihr Sprössling ordentlich<br />
in der Schule rangenommen werden soll, denn „wer früh beginnt, der wird es später mal zu was<br />
bringen“ Je früher man also damit beginne, die Kinder auf das spätere Leben vorzubereiten, sprich<br />
das Kind externen Zwängen zu unterwerfen, umso leichter käme das Kind später damit zurecht,<br />
sprich könnte es die erforderliche Leistung erbringen. Viele Eltern beginnen in frühem Kindesalter<br />
damit, individuelle Pläne <strong>für</strong> ihre Kl<strong>ein</strong>en zu erstellen, die ihnen „<strong>ein</strong>en Platz an der Sonne“, d.h.<br />
oben in der gesellschaftlichen Hierarchie, sichern sollen. „Die Kindererziehung wird <strong>ein</strong>gespannt<br />
zwischen Aufstiegswunsch und Abstiegsbedrohung.“ 34<br />
Wer möchte sich unter diesen Umständen (durch Arbeitsverweigerung) schon gerne<br />
dem Vorwurf aussetzen, <strong>ein</strong> „herzloser Vater“ oder gar <strong>ein</strong>e „Rabenmutter“ zu s<strong>ein</strong>? Schuldgefühle<br />
finden hier ihren Nährboden, Angst gedeiht, vielleicht doch zu wenig <strong>für</strong> s<strong>ein</strong>e Kinder geleistet zu<br />
haben. Und in all diesem Erwartungschaos ist es die Mutter, die am stärksten gefordert ist. Sie ist<br />
die Person an der Erziehungsfront und ist am stärksten dem Erziehungsdruck ausgesetzt.<br />
Sie setzt alle Hebel in Bewegung, dass „die Information über das Kind“ zur Anwendung kommt und<br />
„zur Förderarbeit am Kind“ wird. Und wo sie selber nicht mehr weiter weiß, werden Spezialisten herangezogen:<br />
von der Schutz<strong>im</strong>pfung, der Heilgymnastik, über die Zahnkorrektur bis zur therapeutischen<br />
Anweisung und Lernberatung.<br />
Auch in jenen Bereichen, wo k<strong>ein</strong> direkter Zugriff von Spezialisten erforderlich wird, regiert<br />
– stiller, aber nicht weniger folgenreich – der Zugriff der Pädagogik. „In diesem Zeichen entstehen<br />
neue Tätigkeiten, auf <strong>ein</strong> Stichwort zusammengefasst: die Mutter als Erziehungshelferin<br />
33 vgl. BECK-GERNSHEIM 1997, 105f<br />
34 BECK-GERNSHEIM 1997, 108<br />
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