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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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wagtest du d<strong>ein</strong>e Kräfte an dem und gegen den zu versuchen, der nicht zu erreichenist? […] Dir verlieh [Gott] den unterscheidenden Sinn des Guten und Bösen: frei ward<strong>ein</strong> Wille, frei d<strong>ein</strong>e Wahl. 348Für Klingers Faust gibt es also die Freiheit, den Weg zu wählen, den er gehen will. Er kannsich zum Guten oder Bösen entscheiden, aber er trägt jetzt selbst auch die Verantwortung fürs<strong>ein</strong>e Wahl und für s<strong>ein</strong> Verhalten - die Schuld lässt sich k<strong>ein</strong>em anderen zuschreiben. 349Diese Art der Freiheit des Menschen war für die Faust-Werke neu, aber durchaus KlingersZeit entsprechend. 350 Als Gegensatz zu der neuen Auffassung des “freien Menschen”, derüber die Freiheit verfügt, selbst über s<strong>ein</strong> Schicksal zu bestimmen, hier noch zurVerdeutlichung die der Prädestinationslehre folgende Auffassung des „Bösen“ bei dem„Christlich Meynenden” (erschienen 66 Jahre vor Klingers Faust): „Wer <strong>ein</strong>mal zum ewigenLeben erkoren, der käme dar<strong>ein</strong> und könnte niemalen vorsätzlich sündigen. Und so wäre esauch mit den Verdammten beschaffen, die sich k<strong>ein</strong>er Erlösung zu erfreuen haben, siemöchten nun Gutes oder Böses tun, bekehrt oder in ihren Sünden dahinsterben, indem Gott<strong>ein</strong>mal diese Ordnung gemacht und es darbei lasse.” 351Es ist bereits festgestellt worden, dass es Klinger weniger um den forschenden Faust ging, alsum <strong>ein</strong>en Wissenschaftler und Erfinder, der in s<strong>ein</strong>er Gesellschaft unterdrückt und in dasElend getrieben wird, und dessen Leistungen nicht geschätzt werden. Das Werk ist also ausder Perspektive <strong>ein</strong>es Gesellschaftskritikers und Moralisten zu deuten. Weniger als in denfrüher erschienenen Faust-Werken geht es um die Fragen der Religion und der Sünde, mehrum Fragen der allgem<strong>ein</strong>en Moral und um die Theodizee. Aus diesem Grund hat derTeufelspakt bei Klinger nicht mehr die Rolle <strong>ein</strong>er direkt zur Verdammnis führenden Tat.Vielmehr zeichnet der Teufelspakt <strong>ein</strong>en Menschen aus, der s<strong>ein</strong>en Weg frei hat wählenkönnen, sich aber für den falschen Weg entschieden hat.348 Fausts Leben..., S. 213.349 Der Teufel hatte aber - im Gegensatz zum Menschen - nur die Möglichkeit zum Bösen; der Teufel war alsonach Klingers Auffassung nicht frei.350 Erst <strong>ein</strong>ige Jahre zuvor, im Jahre 1788, war Kants Kritik der praktischen Vernunft erschienen, in der dieserdie Idee der „transzendentalen Freiheit“ vorstellte. Roger Scruton erläutert dies in s<strong>ein</strong>er Kant-Einführung wiefolgt: „Die r<strong>ein</strong>e Vernunft läßt in ihrer Darstellung der Welt dort <strong>ein</strong>en ‚leeren Platz’ zurück, wo der moralischHandelnde s<strong>ein</strong> sollte: ‚Diesen leeren Platz füllt nun r<strong>ein</strong>e praktische Vernunft, durch <strong>ein</strong> bestimmtes Gesetz derKausalität in <strong>ein</strong>er intelligibelen Welt (durch Freiheit), nämlich das moralische Gesetz, aus’ (Kritik derpraktischen Vernunft 85). Dieses neue ‚Gesetz der Kausalität’ nennt sich ‚transzendentale Freiheit’ undbestimmt die Bedingungen moralischen Handelns. Das Gesetz von Ursache und Wirkung gilt nur im Bereich derNatur (im empirischen Bereich). Freiheit jedoch gehört nicht zur Natur, sondern genau zu jenem ‚intelligiblen’oder transzendentalen Bereich, innerhalb dessen Kategorien wie Kausalität k<strong>ein</strong>e Geltung haben.“351 Das Faustbuch des Christlich Meynenden, S. 184.98

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