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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Wie schön das alles ist, der klare Tau des Morgens und das vor Märchen und Sagenschimmernde Auge <strong>ein</strong>es Kindes, die aufblühende Knospe und lächelnde rote Lippen. N<strong>ein</strong>,n<strong>ein</strong>, ich bin k<strong>ein</strong> Franziskus, der Bruder Bandwurm und Schwester Holzwurm lobsingt. Aberdie Erde ersch<strong>ein</strong>t mir so schön, und ich bin so froh, dass ich lebe. Du armer irdischer Staub,welch <strong>ein</strong> Wunder du bist! Mir so lieb – und gleichzeitig so leicht, ich besitze dich, aber dubesitzt mich nicht. Ein Traum, <strong>ein</strong> Schimmer nur bist du; du erschreckst mich nicht mehr,Vergänglichkeit.Nenne es Alltag, wenn du willst! Aber was für <strong>ein</strong> Abenteuer er doch ist!*Und die Kirche? Und die Dogmen, die Zeremonien? Die bleichen Opferpriester mit demScheiterhaufen und den Inquisitionsmessern?Die Glaubenskriege m<strong>ein</strong>er Jugend, wie wundersam entfernt sch<strong>ein</strong>en sie mir heute! EinGezänk auf den Vorhöfen und in den Gärten, aber niemals drinnen im Allerheiligsten.Habe ich <strong>ein</strong>st über die Beweise für die Existenz Gottes gegrübelt? Und heute stolpere ichdarüber auf den Straßen: <strong>ein</strong> Jüngling, der träumt, <strong>ein</strong>e Mutter, die sich aufopfert, <strong>ein</strong> Mann,der sich <strong>ein</strong>er Tat geweiht hat, <strong>ein</strong>e alte Frau, die ihr armseliges Scherfl<strong>ein</strong> verschenkt.Die Dogmen, haben sie mich <strong>ein</strong>st irritiert? Heute fällt es mir nicht so leicht, sie zu zerreißen;ich spüre, wie sie aus Herzensfäden gewebt sind. K<strong>ein</strong>e Kunst, über sie zu lästern, die Kunstist, sie zu verstehen und zu erklären. Strenge dich an, und du wirst <strong>ein</strong>en Sinn darin finden; duwirst <strong>ein</strong>en Zipfel der Wahrheit darin finden. Auch hinter dem Lat<strong>ein</strong> des Scholastikersschlägt <strong>ein</strong> Menschenherz, auch bei Atanasius gibt es <strong>ein</strong>en Schimmer des verborgenenGottes. Auch das Christentum ist <strong>ein</strong>e Religion, Bruder Himmelsstürmer.Die Kirche! Habe k<strong>ein</strong>e Eile, St<strong>ein</strong>e auf die Tempelfenster zu werfen! Du kannst das Herztreffen, wenn du denkst, dass du Glas triffst. Leichtfertig richten wir, grob richten wir, wenigverstehen wir. Hat man die Augen des Mannes aus Nazareth gesehen, wird alles unwesentlichvor der Liebe.Ich erinnere mich an <strong>ein</strong>en Abend in <strong>ein</strong>er Stadt in Italien. Ich saß bei <strong>ein</strong>em Dichter, <strong>ein</strong>embekannten Dichter, <strong>ein</strong>em alten Alkoholiker, der fromm geworden war, und den ichverachtete. In <strong>ein</strong>er weißen Kartäusertracht saß er an s<strong>ein</strong>em Rauchertisch mit <strong>ein</strong>emWhiskyglas in der Hand und w<strong>ein</strong>te über <strong>ein</strong>en kl<strong>ein</strong>en Marmor-Christus, der im Rauschkaputt geschlagen worden war. Ein Geschenk des Heiligen Vaters an ihn, <strong>ein</strong>e Gabe Leos desdreizehnten, buuh, buuh. M<strong>ein</strong> junges Lästererherz lächelte und triumphierte. Aber heutewürde ich lächeln und ihn verstehen.*Das Sakrament der Taufe und des Abendmahls, nur Magie, Zauberkünste!Such tiefer, Bruder! Vielleicht ist das Sakrament der Taufe das der Geburt und das Sakramentdes Abendmahls das des Todes. Die Sakramente der Geburt und das Todes, nicht <strong>ein</strong>mal dukannst ihnen entkommen, Bruder Lästerer.*Bekehrt, ja, ja. Erlöst, bravo. Das ist ja die neueste Mode.N<strong>ein</strong>, nicht bekehrt, ich bin nur zur Klarheit gekommen. Ich habe gefunden, was m<strong>ein</strong>eUnruhe war, wer m<strong>ein</strong>e Unruhe war. Und siehe, als ich ihn fand, ward m<strong>ein</strong> Herz ruhig. Ruhe,ja, ja. Es wird schön, sich am Ende <strong>ein</strong>zulullen. Einlullen, vielleicht doch nicht. M<strong>ein</strong> Mannist nicht el Santisimo Cristo del Buen Suceso, dem auf den Marktplätzen zugerufen wird,sondern der galiläische Dionysos, der zwischen Räubern auf <strong>ein</strong> Kreuz aufgespießt wurde.371

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