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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Faust alles, das Gute und das Böse, als <strong>ein</strong>e Einheit sieht. Daher müssen die göttliche Gnadeund Güte bei Kastman noch mehr bewirken als bei Goethe. Eine Erlösung ist hier notwendig,in Goethes Drama ergibt sich die Erlösung letztendlich aus der Tatsachen, dass eben Gut undBöse zusammen gehören. Die Wahrheitssuche wird am Ende von Kastmans Werkhervorgehoben, als das, was von Gott gewollt ist, und was <strong>ein</strong> „edler Trieb“ ist. Durch dieseSuche kann auch <strong>ein</strong>e verirrte Seele wieder in den Himmel gelangen.Kastman ist es sicherlich gelungen, <strong>ein</strong> leicht lesbares Werk zu schreiben. Durch Weglassenund Verkürzen <strong>ein</strong>iger Stellen gelingt es ihm jedoch nur zum Teil, denn der ganze Sinn unddie tiefere Bedeutung von Goethes Werk bleiben dem intendierten Durchschnittsleserverborgen. Zu bemängeln ist auch, dass Kastman zwar Goethes Drama zur Vorlage nimmt,Goethe selbst aber nirgends erwähnt wird. Böswillig könnte man Kastmans Buch auch <strong>ein</strong>Plagiat nennen. Womöglich aber glaubte Kastman selbst, dass das, was Goethe über Faustschrieb, historisch „echt“ sei – immerhin ist „Doktor Henrik Faust“ in der Reihe der vonKastman für das Volk geschriebenen Werke der <strong>ein</strong>zige, der über <strong>ein</strong>e historisch umstrittenePerson verfasst wurde und in dem Fiktion als Grundlage für <strong>ein</strong>e Biographie dient.Eine „volkstümliche Faust-Bearbeitung“ ist Kastmans Werk also im Hinblick auf dieZielgruppe, es ist jedoch k<strong>ein</strong>eswegs als „Volksbuch“ zu sehen, dafür ist die literarischeVorlage viel zu präsent. Im Grunde hat jedoch Kastman etwas mit dem „ChristlichMeynenden“ gem<strong>ein</strong>sam, wenn auch mit anderen Vorzeichen: Kastman wie der anonyme,aber „christlich meynende“ Autor des Volksbuches von 1725 haben beide bereits existierendeWerke zur Vorlage genommen mit der Absicht, den Text für die Allgem<strong>ein</strong>heit„zugänglicher“ zu machen. Der Christlich Meynende sammelte das Wichtigste aus den bisdahin erschienenen Volksbüchern (beispielsweise Historia, Widmann, Pfitzer), kürzte dasGeschehen radikal und lockerte <strong>ein</strong> wenig die Deutungsmöglichkeiten <strong>ein</strong>erTeufelsbündlergeschichte, indem er sie nicht mehr als <strong>ein</strong>e „Warnung“ schrieb. Ähnlich agiertKastman, wenn auch in der umgekehrten Richtung: Er nimmt <strong>ein</strong> literarisches Erzeugnis,kürzt es stark und fügt eigene Gedanken hinzu, um der Religion <strong>ein</strong>e etwas größere Rolle zugeben als in der Vorlage. Beiden Autoren war die Weitergabe des Faust-Stoffes wichtig, aberbeide wollten die ethische Aussage ihrer jeweiligen Vorlage nicht beibehalten, sondernzeitgemäß und funktional ändern.89

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