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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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eigenen Ich, s<strong>ein</strong>er Auffassung von der Ich-Größe gelöst werden. Durch die Trennung von alldiesem wollte Lenau die totale Einsamkeit und „Auf-Sich-Gelassenheit” des Menschenbeschreiben. Mephistopheles bringt die nächste Stufe dieses Plans zum Ausdruck:Von Christus ist er los; noch hab ich nurZu lösen m<strong>ein</strong>en Faust von der Natur. (V. 752f)Die Trennung von der Natur soll durch Taten geschehen, durch die Faust sich schuldig macht(„...kühn zur Wahrheit dringen durch die Schuld”, V. 208). Lenau will zeigen, dass derMensch von s<strong>ein</strong>er Umgebung, von der Natur durchaus gelöst werden kann, wenn er ständiggegen die Naturgesetze verstößt und das Leben verachtet. Ganz endgültig geschieht dieTrennung von der Natur durch Mord: hier wird es zunächst <strong>ein</strong> Mord aus Liebe.Wie in den meisten hier behandelten Faust-Werken spielte die Liebe auch bei Lenau <strong>ein</strong>ewichtige Rolle. Zunächst vern<strong>ein</strong>te Faust die traditionelle Liebe: „Ich habe diese Liebe niegekannt, / Fürs Erdenweib war nie m<strong>ein</strong> Herz entbrannt” (V. 357f). Die <strong>ein</strong>zige Liebe, die ihnfesseln konnte, war die „Liebe für die Wahrheit” (V. 360). Deshalb unterschreibt Faust denvon Mephistopheles angebotenen „Ehepakt” (V. 408), das Bündnis „Fürs holde LiebchenVeritas” (V. 410). Faust vermählt sich sozusagen mit der Wahrheit, die Mephisto ihm zuenthüllen verspricht. 491Im Laufe der Handlung ändert sich Faust jedoch radikal: aus s<strong>ein</strong>er „Liebe für die Wahrheit”wird in der Begegnung mit der Prinzessin Maria „wahre Liebe” 492 , jenes Gefühl also, dasFaust „nie gekannt” (V. 357) hat. Durch die Mitwirkung Mephistos verwandelt sich dasgeistige Streben ins Sinnliche, ohne dass Faust selbst davon Kenntnis nimmt. Kurios mutetzunächst an, dass der Teufelsvertreter <strong>ein</strong>e „wahre Liebe“ propagieren soll. Bedenkt manjedoch, dass Mephistopheles auch die Liebe nur als Teil s<strong>ein</strong>es Plans sieht, als <strong>ein</strong>e Etappe aufdem Weg zum Bruch Fausts mit der Natur, ist die wahre Liebe <strong>ein</strong> effektives Mittel, da sieeigentlich etwas „Gutes“ repräsentiert. Wenn man es allerdings zu weit kommen lässt, kannsie „böse“ Auswirkungen haben. Die Liebe zu Maria wächst hier letztlich in dem Maße, dassFaust bereit ist, um sie zu bekommen, ihren Bräutigam umzubringen. 493491 Siehe hierzu auch Hucke: Lenaus „Faust”. In: Lenau-Forum. S. 18.492 Hucke: Lenaus „Faust”. In: Lenau-Forum. S. 18, 21.493 Hammer: Nikolaus Lenau. Dichter und Rebell. S. 93: „Um Maria für sich zu gewinnen, tötet er sogar ihrenVerlobten”. Ebenso Schmidt-Bergmann: Ästhetismus und Negativität. S. 118: „Die gesellschaftlicheBeschränkung des ‚sinnlichen Lebens’ überschreitend, wird s<strong>ein</strong> Verlangen destruktiv”. Vgl. hier auch Grabbesdestruktive Faust-Figur, Kap. IV. II. A. 4. in dieser Arbeit.140

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