13.07.2015 Aufrufe

ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

geblieben, er fühlte sich nirgends zu Hause, war also, wie s<strong>ein</strong> Faust, „Ein Fremdling ohneZiel und Vaterland” (V. 161) 478 .Lenau leitet die Geschehnisse s<strong>ein</strong>es Werkes mit dem Gedicht „Der Morgengang” <strong>ein</strong>. DiesesGedicht kann als <strong>ein</strong> Prolog angesehen werden, denn hier sind bereits der Ablauf sowie derAusgang des Werkes in bildhafter Darstellung angedeutet. Zunächst wird Faust als „EinWandrer kühn” (V. 3) 479 bezeichnet, der „zum Gipfel strebt, / Von Fels zu Fels im raschenFluge schwebt.” (V. 3f). „Repräsentativ für die zukunftsorientierte Aufbruchstimmung derRenaissance ersch<strong>ein</strong>t hier Faust als Mann der Tat.” 480 S<strong>ein</strong> Streben zum Gipfel wird ebensogezeigt wie s<strong>ein</strong>e Kühnheit, solches zu wagen. Jedoch deuten bereits die nächsten Versedarauf hin, dass Fausts Streben k<strong>ein</strong>e Antwort bringen wird: 481Was willst du, Faust, auf diesen Bergeszinnen?Den Nebeln und den Zweifeln dort entrinnen?Des Abgrunds Nebel werden nach dir schleichen,Auch dort dir Zweifel an die Stirne streichen. (V. 5-8)Der Prolog zeigt Fausts Unzufriedenheit mit der Forschung und dem Glauben, und stellt denTeufel Mephistopheles vor, er ist im „Morgengang” <strong>ein</strong> „finstrer Jäger” (V. 67), der Faust vordem Abgrund rettet - in dem Bösen wird somit also zunächst <strong>ein</strong>e Rettungsmöglichkeit, <strong>ein</strong>e„Befreiung” 482 gesehen.Die erste Szene, „Der Besuch”, zeigt Faust und Wagner, die in ihrem Drang nach Wissen undErkenntnis über die Menschheit nachts in <strong>ein</strong>em Leichenhaus arbeiten, um aus den totenKörpern Antworten auf die Geheimnisse des Lebens zu finden. Faust ist aber damit längstnicht mehr zufrieden:Wenn diese Leiche lachen könnte, traun!Sie würde plötzlich <strong>ein</strong> Gelächter schlagen,Daß wir sie so zerschneiden und beschaun,Daß wir die Toten um das Leben fragen. (V. 69-72)478 Henning (1993) wies auf die persönlichen Erfahrungen Lenaus hin: „Die Situation in Österreich, Deutschlandund Amerika vor Augen, wird in Lenau <strong>ein</strong>e Desorientierung, <strong>ein</strong>e Ziellosigkeit erzeugt, Lenau erkenntvorwiegend das Chaotische, ohne neue Positionen <strong>ein</strong>es zu bejahenden Zukünftigen zu erahnen. Hier liegt dieUrsache für die Zweifelssituation, die sich auf s<strong>ein</strong>en ‘Faust’ überträgt.” (S. 326). Auch Turóczi-Trostler (1961)ist dieser Ansicht: „der Faust spiegelt Lenaus Krisenjahre, die ideologisch-politische Situation der Zeit, ihreganze religiöse Problematik...” (S. 129).479 Ich zitiere nach der Ausgabe Hartmut St<strong>ein</strong>ecke (Hrsg.): Nikolaus Lenau: Faust. Ein Gedicht. MitDokumenten zur Entstehung und Wirkung. Reclam Verlag. Stuttgart 1971.480 Gibson: Lenau: Leben, Werk, Wirkung. S. 90.481 Siehe hierzu auch Gibson: Lenau... S. 90.482 Hammer: Nikolaus Lenau. Dichter und Rebell. S. 97.135

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!