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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Tempel des „Genius der Menschheit” <strong>ein</strong>treten und s<strong>ein</strong>e „edle Bestimmung” 341 kennenlernen. Geerdts (1960) stellt fest, dass es für Klingers Faust <strong>ein</strong>e Rettungsmöglichkeitgegeben hätte, wenn er „sich nicht [hätte] moralisch korrumpieren” 342 lassen.Der Klingersche Faust gehört nicht zu den Arbeitern, die am Tempel der Menschheit,also an <strong>ein</strong>er glücklichen Zukunft bauen. 343Sowohl Klinger als auch später Goethe ging es um die „Tapferkeit” und um daskontinuierliche Streben des Menschen. Goethes Faust, der „immer strebende”, konnte zuletztgerettet werden 344 ; Klingers Faust, der s<strong>ein</strong>en Glauben an den moralischen Wert desMenschen verlor und also aufgab, war nach den gegebenen Kriterien von der Rettungausgeschlossen. 345„Im Mittelpunkt des Klingerschen Romans steht die grundlegende Frage nach derRadikalpositivierung der Sünde durch die aufklärerisch säkularisierte Theodizee.” 346 DieSünde oder Sündhaftigkeit ist k<strong>ein</strong>e religiöse Frage mehr, die Sünde im Sinne der Historiaexistiert in der Form nicht mehr. Die Fragen der Rettung oder der Verdammnis <strong>ein</strong>esMenschen sind bei Klinger nicht mehr Fragen der Religion sondern Fragen der allgem<strong>ein</strong>enMoral. Eine Rettung Fausts ohne göttliches Zutun hätte durch die von Klinger vorgestellteTheorie ermöglicht werden können, der Mensch sei „vermöge s<strong>ein</strong>es freien Willens, unds<strong>ein</strong>es ihm <strong>ein</strong>gedrückten innern Sinns, s<strong>ein</strong> eigner Herr, Schöpfer s<strong>ein</strong>es Schicksals unds<strong>ein</strong>er Bestimmung. [...] Er entwickelt also nur das <strong>ein</strong>mal in ihn gelegte Streben; wie jedesDing der sichtbaren Welt, doch mit dem Unterschied, daß nur ihn s<strong>ein</strong> freier Wille, und s<strong>ein</strong>das Böse und Gute begreifender Sinn, der Strafe und Belohnung fähig machen” 347 . DerMensch könne nach Klinger also selbst darüber entscheiden, was mit ihm geschehe. Deshalbkönne er niemanden beschuldigen außer sich selbst, wenn er am Ende in der Hölle landete. InFausts Leben, Taten und Höllenfahrt macht Leviathan dieses am Ende des Romans deutlich:Tor, warst du nicht frei geschaffen? Trugst, empfandest du nicht, wie alle, die imFleische leben, den Trieb zum Guten, wie zum Bösen, in d<strong>ein</strong>er Brust? [...] Warum341 Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt, S. 200.342 Geerdts: F. M. Klingers Faust-Roman..., S. 74.343 ebd., S. 75.344 Bei Goethe ist das Streben allerdings nicht moralisch gedeutet; es geht um <strong>ein</strong>e außermoralische Wette. DasStreben ist bei Goethe etwas, was in dem Menschen angelegt ist, die Unterscheidung zwischen „gut” und „böse”gibt es nicht mehr, da das Streben sowohl nach dem Positiven (also nach dem christlichen „Guten”) als auchnach dem Negativen (nach dem christlichen „Bösen”) als positiv angesehen wird. Dazu mehr im Kapitel IV.IIA.3.345 Siehe hierzu auch Geerdts: F. M. Klingers Faust-Roman..., S. 75: „Goethe wie Klinger also proklamierten dieTapferkeit, die nimmermüde soziale Aktivität des bürgerlichen Menschen, der nach Erkenntnis und Produktivitätstrebt, als höchste Werte.”346 Lubkoll: „und wär’s <strong>ein</strong> Augenblick...”, S. 99.347 Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt , S. 214, Anm.97

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