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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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oder sich nach Glück, Ruhm oder Liebe sehnenden Wissenschaftlern – wie unter anderem inden Puppenspielen und in Klingers Faust - und dem eher schüchtern wirkenden,„weltscheuen“ (DF, 178) Komponisten? Es ist der Wille, etwas Neues zu schaffen oder zuerfahren. Dieser Wille führt sowohl in der älteren Faust-Tradition als auch in Thomas MannsRoman zu dem Versuch, dieses Neue, bislang Unergründliche mit teuflischer Hilfe zustandezu bringen. Hieraus erfolgt der Pakt mit dem Teufel.Die Teufelsauffassung unterscheidet sich natürlich im 20. Jahrhundert sehr von der dervergangenen Jahrhunderte. Es ist nahezu unmöglich, den Teufel als leibhaftige Person zubetrachten, der <strong>ein</strong>em Menschen „ersch<strong>ein</strong>en“ kann – wenn an <strong>ein</strong>en Teufel überhauptgeglaubt werden kann, dann höchstens in der Form <strong>ein</strong>es „Prinzips des Bösen“, vor allem aberin der Form des „inneren Teufels“. 511Adrian Leverkühn stammt aus <strong>ein</strong>em protestantischen Haus in Kaisersaschern, <strong>ein</strong>em fiktivenOrt in Thüringen, der für alles Altdeutsche, für traditionelle bürgerliche Verhältnisse steht. ImProtestantismus, vor allem aber im Luthertum, das ja in Thüringen tief verwurzelt ist, ist derGlaube an <strong>ein</strong>en durchaus auch leibhaftigen, zumindest aber „lebendigen“ Teufel langeerhalten geblieben. Dadurch, dass Luther s<strong>ein</strong> berühmtes Tintenfass auf den Teufel geworfenhaben soll, hat die Personifizierung des Bösen immer <strong>ein</strong>e aktive Rolle in der lutherischenReligion gespielt. Auch Adrian sch<strong>ein</strong>t sich diesen personifizierten Teufel zumindestvorgestellt haben und hat ihn schließlich auch als Ersch<strong>ein</strong>ung in Italien gesehen. Für ihnpersönlich gab es den „leibhaftigen“ Teufel also, er glaubte an ihn.Der Erzähler Zeitblom ist aber – entsprechend der zeitgemäßen Auffassung – humanistischveranlagt und von <strong>ein</strong>er Existenz <strong>ein</strong>es sichtbaren Teufels folglich k<strong>ein</strong>eswegs überzeugt.Dies kommt unter Anderem im Kapitel XXV zum Ausdruck, in der Einleitung zu dem vonZeitblom wiedergegebenen Gespräch zwischen Leverkühn und dem Teufel:Ein Dialog? Ist es in Wahrheit <strong>ein</strong> solcher? Ich müßte wahnsinnig s<strong>ein</strong>, es zu glauben.Und darum kann ich auch nicht glauben, daß er in tiefster Seele für wirklich hielt, waser sah und hörte: während er es hörte und sah und nachher, als er es zu Papier brachte,- ungeachtet der Zynismen, mit denen der Gesprächspartner ihn von s<strong>ein</strong>em objektivenVorhandens<strong>ein</strong> zu überzeugen suchte. Gab es ihn aber nicht, den Besucher – und ichentsetze mich vor dem Zugeständnis, das darin liegt, auch nur konditionell und alsMöglichkeit s<strong>ein</strong>e Realität zuzulassen! – so ist es grausig zu denken, daß auch jeneZynismen, Verhöhnungen und Spiegelfechtereien aus der eigenen Seele desHeimgesuchten kamen... (DF, 298)511 Diese Art von „innerem Teufel“ war ja bereits bei Chamisso vertreten; spätestens seit der Aufklärung wäre<strong>ein</strong> leibhaftiger Teufel kaum noch vorstellbar gewesen.149

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