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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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F. M. Klingers Fausts Leben, Taten und Höllenfahrt stellt die Moral in <strong>ein</strong> vollkommen neuesLicht: hier will Faust den Teufel von dem moralischen Wert des Menschen überzeugen, d.h.zusammen mit dem Teufel nach dem moralischen Wert des Menschen suchen und diesendavon überzeugen, dass es <strong>ein</strong>en solchen gibt. Dies ist natürlich von vornher<strong>ein</strong> unmöglich,aber gerade durch <strong>ein</strong>e solche Darstellung will Klinger auf die Missstände in der Gesellschaftaufmerksam machen: Mit dem moralischen Wert des Menschen ist eigentlich der moralischeWert der Gesellschaft gem<strong>ein</strong>t, nicht der <strong>ein</strong>es <strong>ein</strong>zelnen Menschen. Auch wenn KlingersFaust erst nach der „Blütezeit” des Sturm und Drang verfasst wurde, spiegeln sich hier dieMerkmale jener literarischen Periode: Gesellschaftskritik, Freiheitsbestrebungen und diebewusste Trennung von den poetischen Regeln der Aufklärung. Dieser Faust ist auchcharakterlich <strong>ein</strong> typischer Sturm und Drang -Vertreter – er hat die Eigenschaften <strong>ein</strong>esHelden dieser Zeit: „strebende, stolze Kraft des Geistes, hohes, feuriges Gefühl des Herzens,und <strong>ein</strong>e blühende Einbildungskraft […], die das Gegenwärtige nie befriedigte” 838 .Religiös gesehen ist Klingers Werk nahezu “außermoralisch” 839 , Fausts Abgang in die Höllehat nichts mit christlich bedingter Sündhaftigkeit zu tun. Die teuflischen Gestalten und diehöllische Hierarchie charakterisieren lediglich die verdorbene irdische Gesellschaft und dereninnere Hierarchien und dienen auf diese Weise zur Beschreibung der Welt, die die Stürmerund Dränger verändern wollten. Das Christentum oder die ausdrücklich christliche Moralspielen bei Klinger k<strong>ein</strong>e entscheidende Rolle. Dass Faust aber trotzdem “gerichtet” wird,erklärt sich dadurch, dass der Mensch nach Klingers Auffassung <strong>ein</strong>en freien Willen hat, übers<strong>ein</strong> Schicksal zu bestimmen. 840 Die Moralvorstellungen, gegen die Klingers Faust stößt, sindr<strong>ein</strong> gesellschaftlicher Art, er kommt mit der Gesellschaft, in der er leben muss, sowie mitihren Vorschriften, nicht zurecht, sondern kritisiert diese, rennt gegen sie an. Er wählt selbstden Weg gegen diese herrschenden Normen und wird letztendlich dafür bestraft, dass er die„stabilisierten Verhaltensnormen s<strong>ein</strong>er Gesellschaft“ 841 nicht akzeptiert.838 Klinger: Fausts Leben..., S. 9.839 Vgl. auch Goethes Faust unten.840 Klinger: Fausts Leben..., S. 214, Anm. „Der Mensch ist, vermöge s<strong>ein</strong>es freien Willens, und s<strong>ein</strong>es ihm<strong>ein</strong>gedrückten innern Sinns, s<strong>ein</strong> eigner Herr, Schöpfer s<strong>ein</strong>es Schicksals und s<strong>ein</strong>er Bestimmung.” Dies gehörtezu den Bestrebungen des Sturm und Drang, ähnlich stellen auch Best und Schmitt (Hrsg.), die Tendenzen desSturm und Drang betreffend, fest (Die deutsche Literatur. Ein Abriß in Text und Darstellung. Band 6: Sturm undDrang und Empfindsamkeit. Einleitung, S. 12): „...in jedem Fall erkennt man den Anspruch, gegenüber dererstarrenden Formkultur des spätbarocken Stils und den herrschenden Überzeugungen in moralischen,ästhetischen und theologischen Fragen das Recht des <strong>ein</strong>zelnen und s<strong>ein</strong>er Subjektivität auf Selbstbestimmungzu verfechten.”841 Siehe Definition des Wortes „Moral“ am Anfang dieses Kapitels.281

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