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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Das Verlockende für Adrian in dem Pakt ist die Schaffenskraft – als Komponist ist manverloren, wenn man k<strong>ein</strong>e neue Inspiration mehr bekommt, k<strong>ein</strong>e neuen Motive mehrentwickeln kann. Dabei will und soll der Teufel ihm nun helfen. Es erfolgt in der Tat <strong>ein</strong>esehr produktive Phase in Leverkühns Leben. Es entstehen zahlreiche, auch sehr erfolgreicheWerke, wie u.a. ‚Apocalypsis cum figuris’. Langsam entwickelt er <strong>ein</strong>e ganz neuemusikalische Richtung, die sich nach und nach von der „gewohnten“ Tonalität verabschiedet,und die entsprechend kritisch vom Publikum angenommen wird. Diese musikalischeRichtung hat Thomas Mann weitestgehend von Arnold Schönberg kopiert. Sie nennt sich 12-Tontechnik, und basiert auf der Auffassung, alle 12 Töne der chromatischen Skala seien„gleichberechtigt“. Für jedes Werk wird <strong>ein</strong>e Tonreihe von diesen 12 Tönen gebildet, diedann in 48 verschiedenen Gestalten vorkommen kann. K<strong>ein</strong> Ton darf wiederholt werden,bevor die anderen Töne der Reihe geklungen haben. All<strong>ein</strong> durch die Technik ist jedoch nochk<strong>ein</strong> künstlerisches Schaffen möglich. Eine neue Kompositionstechnik kann zwar <strong>ein</strong>en neuenRahmen schaffen, aber nicht unbedingt <strong>ein</strong>en musikalischen Sinn. 533 Und genau darum gehtes auch in dem Pakt zwischen Leverkühn und dem Teufel.In s<strong>ein</strong>en Ausführungen über die Vorzüge <strong>ein</strong>es Paktes hatte der Teufel Leverkühn durchausschöpferische Zeit versprochen, aber von Kreativität, echter Schöpferkraft hat er nie etwasgesagt. Im Gegenteil, an <strong>ein</strong>er Stelle sagte er sogar: „Wir schaffen nichts Neues – das istandrer Leute Sache. Wir entbinden nur und setzen frei. Wir lassen die Lahm- undSchüchternheit, die keuschen Skrupel und Zweifel zum Teufel gehn.“ (DF, 318) Der Teufelist im Grunde also ehrlich und verspricht nicht zu viel. Leverkühn deutet dies offenbar anders,denn sonst würde er sich vielleicht nicht auf die Verbindung <strong>ein</strong>lassen. Es fängt in s<strong>ein</strong>emLeben <strong>ein</strong>e schöpferische Periode an, in der er die Zwölftontechnik entwickelt. Er istquantitativ sehr produktiv, aber die Menschen verstehen s<strong>ein</strong> Werk nicht – der „musikalischeSinn“ bleibt ihnen verborgen. Daher kann Leverkühn zwar mit der Hilfe des Teufels <strong>ein</strong>e neueMusikrichtung schaffen, und darin produktiv werden, aber <strong>ein</strong>en Inhalt, <strong>ein</strong>e Sinn für s<strong>ein</strong>musikalisches Werk bekommt er vom Teufel nicht. Die Kreativität ist erst wieder möglich,er auß jhme selbs machen wölle? Jtem / ob er nicht an s<strong>ein</strong>e Zusage gedencke? Vnnd ob er dieselbige nichthalten wölle? da er verheissen / Gott vnd allen Menschen felnd zuseyn. Zu dem / so könnte er in k<strong>ein</strong>enEhestandt gerahten / dieweil er nicht zweyer Herrn / als Gott vnd jhme /dem Teuffel / dienen könnte. Dann derEhestand ist <strong>ein</strong> Werck deß Höchsten / wir aber s<strong>ein</strong>d dem gar zuwider / denn was den Ehebruch und Vnzuchtbetrifft / das kompt vns allen zu gutem.“533 Siehe Brockhaus-Riemann Musiklexikon, Stichwort ‚Zwölftontechnik, Dodekaphonie’: „DieZwölftontechnik ist, obwohl sie sich in Regeln fassen läßt, weniger <strong>ein</strong> System von Regeln, das es erlaubt,wieder <strong>ein</strong>en handwerklich guten Tonsatz zu schreiben, als <strong>ein</strong>e Sammlung von Vorschriften, die es demKomponisten verwehrt, unversehens ins traditionelle mus. Idiom zurückzufallen. Die Zwölftontechnik garantiertk<strong>ein</strong>en musikalischen Sinn, sie verhindert nur <strong>ein</strong>e ganz bestimmte Art von Traditionalismus: Banalität. Siegarantiert <strong>ein</strong>zig <strong>ein</strong>e Fülle von musikalischen Beziehungen.“157

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