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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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„Andersdenkenden“. 863 S<strong>ein</strong> Ende wird nicht mehr so <strong>ein</strong>deutig beschrieben wie zu Anfangder Tradition.Es ist überhaupt nicht mehr notwendig, dass <strong>ein</strong>e „Verdammnis“ am Ende <strong>ein</strong>er Faust-Geschichte steht. Die Mehrdeutigkeit in den Aussagen über das Ende der jeweiligen Faust-Gestalt nimmt zu; viele Autoren wollen das Ende offen lassen. Auch <strong>ein</strong>e rettende Lösungwird immer öfter möglich und gewollt.Faust hat <strong>ein</strong>en langen Prozess der Wandlung erfahren: von dem unmoralischenGottesverleugner und hochmutigen Sünder ist, vor allem gerade außerhalb Deutschlands, <strong>ein</strong>moderner Mensch geworden, der s<strong>ein</strong>e Grenzen in den nunmehr gesellschaftlich teils aucherlaubten Rahmen austestet. Den faustischen Drang zu neuen Erkenntnissen haben heutzutageviele, und dadurch fällt <strong>ein</strong> Einzelner nicht in dem Maße auf, wie Faust und s<strong>ein</strong>e ebenfalls inVerruf geratenen Zeitgenossen in der Zeit der Renaissance und Reformation. Heute dient derfaustische Drang zuweilen auch zu etwas Gutem – Rintalas Faust will auf die Bösheit desMenschen aufmerksam machen und deutet an, dass der Mensch bereits böser geworden ist alsdas „Ebenbild des Bösen“, der Teufel. Faust soll hier auf die gesellschaftlichen, sozialen undpolitischen Missstände, auf den Verfall der gesellschaftlichen Moral aufmerksam machen,und tut dies letztendlich mithilfe des Teufels, der ebenso auf <strong>ein</strong>e Besserung des Menschenhofft, damit auch er wieder <strong>ein</strong>e Funktion, <strong>ein</strong>en Stellenwert in der Gesellschaft hat.Faust, <strong>ein</strong> deutscher Mythos, ist gewissermaßen „entmythisiert“ und „entteufelt“ worden,nicht zuletzt durch den nordischen Einfluss, wie wir gesehen haben. Faust und der faustischeDrang können für verschiedenste Bereiche des Lebens angewendet werden, was vor allem inden finnischen Faust-Bearbeitungen der Neuzeit verstärkt zum Ausdruck kommt, aber s<strong>ein</strong>enAnfang bereits bei Klinger hat, dessen Faust <strong>ein</strong> frustrierter Buchdruckerfinder war, unds<strong>ein</strong>erseits den Teufel von dem moralischen Wert des Menschen überzeugen wollte. Dieursprünglich im deutschen Raum entstandene Sage hat sich auch im skandinavischen Auslandbewährt, <strong>ein</strong>e Wandlung erlebt und beweist nun, dass sie nichts von s<strong>ein</strong>er Aktualität<strong>ein</strong>gebüsst hat, ganz im Gegenteil sch<strong>ein</strong>t Faust gerade jetzt aktueller zu s<strong>ein</strong> denn je.863 Die gesellschaftliche Stellung <strong>ein</strong>es Fausts heutzutage könnte verglichen werden mit der der Oppositionellenin verschiedenen totalitären Staaten: Wenn jemand mit dem Regime nicht <strong>ein</strong>verstanden ist, wird er aus demganzen gesellschaftlichen System ausgeschlossen, im schlimmsten Falle verfolgt, verhaftet oder sogar ermordet.Für die, die ihm sympatisch gesinnt waren, wird er zu <strong>ein</strong>em Märtyrer (vgl: Heiligenlegenden), für das Regimewird er zu <strong>ein</strong>em Beispiel, war mit den Ungehorsamen passieren kann, also „faustisch“: zu <strong>ein</strong>em„abscheuwlichen Exempel“.298

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