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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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will auch nicht alle Wünsche Fausts erfüllen, sondern nur die, die s<strong>ein</strong>en höllischen Absichtennützlich sind. 324 So führt er ihn zu Höfen, Palästen, Märkten, Klöstern, sogar zum päpstlichenHof, aber wohin immer Faust auch schaut, findet er nur Geldgier, Habsucht, Wollust,Sch<strong>ein</strong>heiligkeit und Menschenverachtung. Als Faust dies erkennt, gerät er in innereZerrissenheit; er hat den Teufel nicht von dem moralischen Wert des Menschen überzeugenkönnen:[Fausts] Gefühl war durch alles, was er gesehen und beobachtet hatte, so stumpfgeworden, daß er, der so kühn war, dem Ewigen in s<strong>ein</strong>em Innern zu trotzen, es kaumwagte, dem Teufel, den er noch sklavisch beherrschte, in die Augen zu sehen.Menschenhaß, Menschenverachtung, Zweifel, Gleichgültigkeit gegen alles, was umihn geschah, Murren über die Unzulänglichkeit und Beschränktheit s<strong>ein</strong>er physischenund moralischen Kräfte waren die Ernte s<strong>ein</strong>er Erfahrung, der Gewinn s<strong>ein</strong>es Lebens[...]. 325„Der dargestellte Grundkonflikt zwischen dem bürgerlich-rebellierenden Individuum und derzeitgenössischen Gesellschaft” 326 kommt bei Klinger verstärkt zum Ausdruck:Die Sozialkritik in Klingers Roman ist allumfassend und von beispielloserSchärfe. Sie zielt auf alle machthabenden Institutionen, die sich durchwegs alsverderblich oder repressiv erweisen, und auf ihre typischen Repräsentanten, die vonder bürgerlichen Stadtverwaltung über Adel und Bischöfe bis zur obersten weltlichenund geistlichen Herrschaft als korrupt, tyrannisch und ausbeuterisch befunden werden,und zwar dergestalt, daß der Gipfel der Hierarchie und der Gipfel der Verkommenheitzusammenfallen. 327Gerade solches hat Faust auf s<strong>ein</strong>er Reise mit Leviathan erlebt, gerade solches erlebte Klingerin der Gesellschaft, in der er lebte. Der Roman stellt „die ganze Negativität dergesellschaftlichen Zustände des 16. wie des 18. Jahrhunderts vor Augen” 328 , zeigt, dasssowohl in den Lebzeiten des historischen Faust als auch zu der Zeit Klingers gesellschaftlicheMissstände herrschten, dass die Autoritäten das Eine sagten, aber das Andere taten.Faust glaubt in Klingers Roman fest an den moralischen Wert des Menschen. Er m<strong>ein</strong>t, nurdieser Glaube daran sei es, der ihm „die p<strong>ein</strong>liche Finsternis zu Zeiten erleuchtete” und ders<strong>ein</strong>e „quälende Zweifel, auf Augenblicke, besänftigte” 329 . An diesem Punkt unterscheidetsich der Klingersche Faust von dem Faust der Historia: „es geht hier nicht mehr all<strong>ein</strong> um324 Siehe hierzu auch Mahal: Mephistos Metamorphosen. S. 317.325 Fausts Leben... , S. 195.326 Geerdts: F. M. Klingers Faust-Roman in s<strong>ein</strong>er historisch-ästhetischen Problematik. S. 65.327 Kreuzer: Zum Experiment des ‘faustischen Ich’, S. 142.328 ebd., S. 148.329 Fausts Leben... , S. 50.94

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