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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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„Barmherzigkeit”, „der Schöpfer”, „Gnade” oder „abtrünnige Sünder”. Das Interessante ist,dass er diese Begriffe sowohl im Zusammenhang mit dem göttlichen als auch mit demteuflischen Wesen verwendet. Die Wahl der Ausdrucksweise kennzeichnet die äußerstdualistische Auffassung des Autors: der Teufel ist „der irdische Gott”, der dem „Gott desHimmels” 117 gegenübergestellt wird. Den irdischen Gott bezeichnet Faust als den, der „soerfahren, mächtig und geschickt ist, dass ihm nichts unmöglich” 118 , obwohl dieseEigenschaften sich traditionell auf den himmlischen Gott beziehen. Der Teufel wird „MeisterSatan” 119 genannt, es wird an <strong>ein</strong>er späteren Stelle von der „sonderbaren Gnade desLuzifers” 120 erzählt, im schroffen Gegensatz zur Gnade Gottes. Auch tröstet der Teufel Faustkurz vor s<strong>ein</strong>em Tod, wie man es sonst von den Vertretern der göttlichen Seite gewohnt ist:M<strong>ein</strong> Fauste, sei doch nicht so kl<strong>ein</strong>mütig, daß du von hinnen fahren mußt,gedenke doch, ob du gleich d<strong>ein</strong>en Leib verlierest, ist’s doch noch lang dahin, ehe duvor dem Gerichte Gottes ersch<strong>ein</strong>en wirst. [...] Stirbst du gleich als <strong>ein</strong> Verdammter,du bist es nicht all<strong>ein</strong>e, auch nicht der erste. [...] Sei beherzt und unverzagt und erwägedie Verheißung unsers Obristen, der dir versprochen, daß du nicht, wie andereVerdammten, leiden sollest. 121Der himmlische und der irdische Gott werden also bei dem „Christlich Meynenden” alsGegenpole der gleichen Sache gesehen; der himmlische Gott, der „Gute”, herrscht imHimmel, der irdische, der „Böse” in der Hölle, und beide sind gleichgesetzt, herrschenneben<strong>ein</strong>ander. 122„Entscheidend für die Ausrichtung der neuen Faustbearbeitungen ist vor allem <strong>ein</strong>egrundsätzliche Skepsis gegenüber der Teufelsbundlegende und dem damit verbundenenweitverbreiteten Aberglauben.” 123 An der Richtigkeit der dargestellten Tatsachen in derganzen Sage zweifelt der „christlich meynende” Autor stark, wie man an <strong>ein</strong>igen Abschnittenfeststellen kann. 124 Die erste Stelle des Zweifels befindet sich schon in der Vorrede:Gegenwärtige Blätter sollten billig entweder die Wahrheit der Historie desweltbekannten Schwarzkünstlers Doktor Johann Faustens mit unverwerflichen117 „Christlich Meynender”, beide Bezeichnungen S. 168.118 ebd., S. 168.119 ebd., S. 176.120 ebd., S. 181.121 ebd., S. 186. Den tröstenden Teufel gibt es bereits in der Fassung Pfitzers aus dem Jahr 1674 (Teil 3, Kap.14): „M<strong>ein</strong> Fauste, sey doch nicht so kl<strong>ein</strong>mütig / dass du von hinnen fahren must / gedencke doch / ob du gleichd<strong>ein</strong>en Leib verlierest / ists doch noch lang dahin / dass du vor dem Gericht GOttes [sic!] ersch<strong>ein</strong>en wirst“.122 Als Gegensatz zu dieser Darstellung könnte man z.B. Goethes Faust nennen. Hier wird der Gott im Himmelals Herrscher gesehen; die bösen Geister, darunter Mephistopheles, sind integriert. (Siehe Prolog im Himmel inGoethes Faust. Eine Tragödie.)123 Lubkoll: „und wär’s <strong>ein</strong> Augenblick...” S. 71.124 Siehe hierzu auch Szamatólski (Hrsg.): Das Faustbuch des Christlich Meynenden, S. VIII.42

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