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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Herr Gobo von Gallenabsonderung und ich hatten zu lange als Marionetten Gottes undTeufels leben und agieren müssen; wir hatten uns in diejenigen verwandelt, die wirdarstellten, und jetzt, da die Fäden zerrissen waren, war weder dort im „Jenseits“ noch hierauf der Erde niemand mehr in Sicherheit.Wir hatten zu unserer Verfügung <strong>ein</strong>e Technologie, mit der wir Gottes himmlischesReich in <strong>ein</strong>e Hölle verwandeln und aus der Hölle <strong>ein</strong> solches Ferienparadies kreierenkonnten, dass „die Unsterblichkeit der Seele“ niemanden mehr interessierte; dass man„diesseits“ die Freiheit hatte zu morden, rauben, zerstören, genießen – jeder nach s<strong>ein</strong>enFähigkeiten; dass es „jenseits“ k<strong>ein</strong>en Richterstuhl gab; dass die, die für Wahrheit undGerechtigkeit als Märtyrer ihr Leben gegeben hatten, sich getäuscht hatten, man hatte sie indie Irre geführt. Jeder von uns kann sich zu <strong>ein</strong>em Faust erhöhen, der auf s<strong>ein</strong>e eigene Frage„Bin ich <strong>ein</strong> Gott?“ „Ja“ antwortet, und dass es k<strong>ein</strong>e höheren Götter gibt als mich. Und wennes mal welche gegeben hat, gibt es sie nicht mehr und wird es nie wieder geben!Die Herren Gott und Satan, die Plätze sind vertauscht. Nun stehen wir hinter demVorhang, wir, Mefisto und ich, Faust. Wir halten die Fäden in der Hand. Wir lassen tanzenund ihr tanzt. Wir legen die Worte in euren Mund und ihr sprecht sie aus. Ihr lacht dasPublikum aus, bringt Frauen und Kinder zum W<strong>ein</strong>en, wenn wir befehlen: - Gott, seilächerlich, Teufel, zeig dich als Engel!Das darf nicht passieren.Wenn diese Marionetten erfahren, dass in ihnen – in Millionen – Faust und Mefisto leben,und dass dutzende Millionen sich angesteckt haben, Träger <strong>ein</strong>er Krankheit sind, für die esbislang k<strong>ein</strong>en Namen gibt, <strong>ein</strong>e Krankheit, die dazu führt, nach immer mehr Macht WissenSchönheit Kraft zu begehren und immer etwas mehr als die Nachbarn; wenn sie erfahren, dassdas gelingen kann, wird sich Pseudofaustia wie <strong>ein</strong> Steppenfeuer verbreiten.Es reichte, dass die Krankheit in uns lebte, wir mussten verhindern, dass <strong>ein</strong>eEpidemie daraus werden konnte.Jeder aus Goethes Schauspiel in die Kulissen gesprungene Faust ist <strong>ein</strong> gefährlicherHitlerspross.Wenn er sich selbst bewusst wird, geht das Schießen, Bombardieren, Verbrennen undVergewaltigen wieder los.Das <strong>ein</strong>zige Mittel, die epidemienartige Verbreitung der Krankheit namensPseudofaustia war – darin waren der Gesandte und ich uns <strong>ein</strong>ig – die Träger der Krankheitauf der Bühne von Goethes Tragödie <strong>ein</strong>zusperren. Sie das Drama spielen lassen, bis zumlangsamen Versinken der europäischen Zivilisation.Zeit gewinnen.„Die moderne Melancholie“ und „das Stigma der Romantik“ kannte man, aber diePseudofaustia hatte man bislang nicht diagnostizieren können.Und in dem Moment, in dem der Gesandte und ich das Geheimnis des St<strong>ein</strong>s der Weisenverstanden, wurden wir unzertrennlich. Wir mussten unsere Rollen stilvoll zu Ende spielen.K<strong>ein</strong>er, der im Innersten das Faustvirus trägt, darf sich jemals der <strong>ein</strong>fachen Wahrheitbewusst werden, dass Gott und Teufel in Rente gegangen sind und nicht mehr am Geschehenteilnehmen.Der Gesandte des Reichs des Bösen, dessen Befugnisse und gesamtes Reich derMensch, homo sapiens satanicus, und ich, Faust, erobert hatten.Wir hatten k<strong>ein</strong>en anderen Halt außer uns selbst und das Schauspiel, dass wirverdammt waren zu spielen – wie s<strong>ein</strong>erzeit Prometheus s<strong>ein</strong>s.So widerlich und schwer wie das für mich war – für mich, der ich als <strong>ein</strong> dem Eros ausdem Weg gehender Pantoffel noch nie <strong>ein</strong> Weib betört hatte, ganz zu schweigen davon, dassich sie in ihren Untergang verführt hätte, ich musste in m<strong>ein</strong>en alten Tagen anfangen zu üben,381

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