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ein unmoralisches Angebot? - Åbo Akademi

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Schlusses wegen, der letzten vierzig Zeilen, in denen es nach all der Finsternis um dieHoffnung, die Gnade geht, und die nicht dastanden, wie sie jetzt dastehen, sondern <strong>ein</strong>fachmißraten waren. Ich war zu optimistisch, zu gutmütig und direkt gewesen, hatte zu vielLicht angezündet, den Trost zu dick aufgetragen. (S. 194f)Der Ausgang des Romans war offenbar von Thomas Mann also weitaus „optimistischer“geplant, als er in der schlussendlichen Fassung ersch<strong>ein</strong>t. Es wirkt somit <strong>ein</strong>deutig, dass esMann daran lag, s<strong>ein</strong>em Helden die Rettungsmöglichkeit zu geben, und dass die Hoffnungnur unter Adornos Einfluss in nun eher versteckter Form, als Ahnung, zum Ausdruck kam.Alle diese Details deuten darauf hin, dass Mann <strong>ein</strong>en Faust-Roman geschrieben hat, der in<strong>ein</strong>er Rettung oder zumindest Rettungsaussicht endet und Hoffnung ausstrahlt. Somit wirdauch die positive Grundlage von Zeitbloms Analyse über D. Fausti Weheklag verteidigt. Die„Umkehrung“ oder „Zurücknahme“ von Beethovens neunter Sinfonie, „Ode an die Freude“,steht hier zur Debatte. 542 Das, was dort in <strong>ein</strong>em Jubel endet – mit großem Chor- undOrchesterklang, mit Schillers Worten „Freude, schöner Götterfunken“ – endet hier nun in<strong>ein</strong>em <strong>ein</strong>samen hohen G <strong>ein</strong>es Cello, um dann gänzlich abzuklingen. Nach ZeitblomsAnalyse klingt aber dieser Ton in der Seele weiter und ermöglicht auf diese Weise gerade <strong>ein</strong>e„Hoffnung jenseits der Hoffnungslosigkeit“ (DF, 648) – <strong>ein</strong>e Hoffnung, die Zeitblom s<strong>ein</strong>emFreund vom Herzen gönnen würde. 543N<strong>ein</strong>, dies dunkle Tongedicht läßt bis zuletzt k<strong>ein</strong>e Vertröstung, Versöhnung, Verklärungzu. Aber wie, wenn der künstlerischen Paradoxie, daß aus der totalen Konstruktion sich derAusdruck – der Ausdruck als Klage – gebiert, das religiöse Paradoxon entspräche, daß austiefster Heillosigkeit, wenn auch als leiseste Frage nur, die Hoffnung keimte? Es wäre dieHoffnung jenseits der Hoffnungslosigkeit, die Transzendenz der Verzweiflung, - nicht derVerrat an ihr, sondern das Wunder, das über den Glauben geht. Hört nur den Schluß, hörtihn mit mir: Eine Instrumentengruppe nach der anderen tritt zurück, und was übrigbleibt,womit das Werk verklingt, ist das hohe g <strong>ein</strong>es Cello, das letzte Wort, der letzteverschwebende Laut, in pianissimo-Fermate langsam vergehend. Dann ist nichts mehr. –Schweigen und Nacht. Aber der nachschwingend im Schweigen hängende Ton, der nichtmehr ist, dem nur die Seele noch nachlauscht, und der Ausklang der Trauer war, ist esnicht mehr, wandelt den Sinn, steht als <strong>ein</strong> Licht in der Nacht. (DF, 647f)Wie oben bereits dargelegt, hat es Thomas Mann durchaus ernst gem<strong>ein</strong>t mit dieser Hoffnung,und somit ist dem „Helden“ des Romans, dem Komponisten Leverkühn durch dieses Werkdes echten Ausdrucks, der Klage, nun endlich die Rettung möglich geworden.542 DF, S. 631: „ ‚Um was die Menschen gekämpft, wofür sie Zwingburgen gestürmt, und was die Erfülltenjubelnd verkündigt haben, das soll nicht s<strong>ein</strong>. Es wird zurückgenommen. Ich will es zurücknehmen.’ ‚Ichverstehe dich, Lieber, nicht ganz. Was willst du zurücknehmen?’ ‚Die Neunte Symphonie’, erwiderte er.“543 Auch Hetyei (Der Teufelsbündner Faust als Verführter im 20. Jahrhundert, S. 124f) weist auf dieRettungsmöglichkeit Fausts hin.161

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