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Offene Tore 2000 - Orah.ch

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OFFENE TORE: Jahrbu<strong>ch</strong> <strong>2000</strong> 7<br />

Welt, mit der wir nolens volens viele Kinder zeugen, obwohl do<strong>ch</strong> unsere ganze Liebe<br />

der himmlis<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>önen Ra<strong>ch</strong>el gilt. 10<br />

Den inneren Sinn von Ra<strong>ch</strong>el und Lea können wir aus Genesis 29,16f ersehen, denn<br />

dort werden die unglei<strong>ch</strong>en Tö<strong>ch</strong>ter Labans <strong>ch</strong>arakterisiert: "Laban hatte zwei Tö<strong>ch</strong>ter:<br />

der Name der älteren war Lea; der Name der jüngeren war Ra<strong>ch</strong>el. Die Augen Leas waren<br />

s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>; während Ra<strong>ch</strong>el von s<strong>ch</strong>öner Gestalt und s<strong>ch</strong>önem Aussehen war." Es ist<br />

lei<strong>ch</strong>t einzusehen, daß die Augen des Körpers auf der seelis<strong>ch</strong>-geistigen Ebene dem<br />

Verstand entspre<strong>ch</strong>en. Leas Vermögen zu verstehen war s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> ausgebildet. Swedenborg<br />

übersetzt das hebr. Wort mit debilis = ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>t, entkräftet, gebre<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>, gelähmt,<br />

verkrüppelt usw. Die Grundbedeutung s<strong>ch</strong>eint s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> oder kraftlos zu sein. Die<br />

Kraft und Stärke des Verstandes sollte die Fähigkeit sein, Wahrheiten klar und deutli<strong>ch</strong><br />

zu erfassen. Diese Fähigkeit ist bei Lea nur s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> entwickelt. Leas Augen bezei<strong>ch</strong>nen<br />

daher das vom Weltli<strong>ch</strong>t getrübte und somit ges<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>te und bes<strong>ch</strong>ränkte Verständnis<br />

des Wahren. Swedenborg sieht in Lea ein Sinnbild der "äußeren Kir<strong>ch</strong>e" (409) bzw. der<br />

"Neigung (affectio) zum äußeren Wahren" (3782). Die äußere Kir<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>öpft ihr ganzes<br />

Wissen aus Überlieferungen, konkret aus Texten, besonders aus den kanonis<strong>ch</strong>en Texten<br />

der Bibel. Die s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong>en, matten und erlos<strong>ch</strong>enen Augen Leas deuten auf die bei<br />

vielen Exegeten kaum no<strong>ch</strong> vorhandene Fähigkeit hin, den Lebenssinn der heiligen<br />

Überlieferungen wahrzunehmen und auszulegen. Das hebr. Wort für Auge bedeutet übrigens<br />

au<strong>ch</strong> Quelle. Leas Quelle ist die Heilige S<strong>ch</strong>rift; s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> ist sie, solange man nur<br />

ihren historis<strong>ch</strong>en Sinngehalt auss<strong>ch</strong>öpfen, ihren Geistsinn aber ni<strong>ch</strong>t sehen will. In der<br />

äußeren Kir<strong>ch</strong>e herrs<strong>ch</strong>t das Interesse an der äußeren Wahrheit (affectio veri exterioris,<br />

3782), sei es in der historis<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ung 11 , sei es bei den Fundamentalisten; dieses<br />

Interesse bezei<strong>ch</strong>net Lea.<br />

Ra<strong>ch</strong>el ist von s<strong>ch</strong>öner Gestalt und s<strong>ch</strong>önem Aussehen. Die hebr. Worte für Gestalt und<br />

Aussehen sind vom Verb sehen abgeleitet. Wiederum wird unsere Aufmerksamkeit auf<br />

die Wahrheitserfassung geri<strong>ch</strong>tet; diesmal jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auf die Augen als das Organ des<br />

Sehens, sondern auf die Wahrnehmungen als sol<strong>ch</strong>e. Ra<strong>ch</strong>els Wesen pflanzt si<strong>ch</strong> nämli<strong>ch</strong><br />

in Josef, der intuitiven Wahrheitserfassung, fort; er wird mit genau denselben Worten<br />

wie seine Mutter bes<strong>ch</strong>rieben: "Josef war von s<strong>ch</strong>öner Gestalt und s<strong>ch</strong>önem Aussehen."<br />

(Gen 39,6). Die s<strong>ch</strong>öne Gestalt und das s<strong>ch</strong>öne Aussehen bes<strong>ch</strong>reiben die aus dem<br />

10 In einem Jenseitswerk Jakob Lorbers sagt Jakob: "Vierzehn Jahre diente i<strong>ch</strong> um die himmlis<strong>ch</strong>e Ra<strong>ch</strong>el,<br />

und siehe, Du [Herr] gabst mir die welthäßli<strong>ch</strong>e Lea." (RB I,79,21). Ra<strong>ch</strong>el bezei<strong>ch</strong>net hier also<br />

den Himmel und Lea die Welt.<br />

11 I<strong>ch</strong> bin freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t der Meinung, daß die historis<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ung wertlos ist. Sie ist Grundlagenfors<strong>ch</strong>ung,<br />

auf die die geistige Exegese aufbauen kann. Man sollte also ni<strong>ch</strong>t eine Einseitigkeit (die Fixierung<br />

auf den historis<strong>ch</strong>en Sinn) dur<strong>ch</strong> eine andere (die Fixierung auf den geistigen Sinn) ersetzen;<br />

das Ergebnis könnte wilde Allegorese sein. Die Bere<strong>ch</strong>tigung der historis<strong>ch</strong>en Fors<strong>ch</strong>ung besteht<br />

darin, daß der wehrlose Text gegenüber seinem Ausleger stark gema<strong>ch</strong>t wird.

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