Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald
Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald
Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
99<br />
es zusammenhalten, wenn auch keinen schönen, so doch einen<br />
eigen gearteten Formensinn.<br />
Der Schrein sowohl wie seine Einfassung sind in <strong>der</strong> Gestalt<br />
ursprünglich und wesentlich unverän<strong>der</strong>t erhalten; daß die<br />
Bemalung ehedem, vielleicht theilweise eine an<strong>der</strong>e gewesen sei,<br />
scheint mir annehmbar; denn obgleich zur Zeit <strong>der</strong> Entstehung<br />
des Denkmals <strong>der</strong> freudige Farbensinn des Mittelalters mit seiner<br />
wohlthuend zusammenklingenden, heitern Pracht sich wenigstens<br />
in seiner Anwendung auf das Gerätbe stark verflüchtigt<br />
hatte, so lag sein Wesen und Wirken doch noch nicht ferne<br />
genug, um ein so trauriges, einförmiges Schwarz, um ein so<br />
kaltes, haßliches Gelb, wie sie sich hier zeigen, für jene Epoche zu<br />
rechtfertigen. Dagegen hat man wie<strong>der</strong>um gewiß bei einer etwaigen,<br />
spateren Erneuerung die vortrefflich gemalten Wappenschil<strong>der</strong><br />
auf beiden Seiten des Deckels verschont, welche die herzoglichen<br />
Embleme von Pommern in <strong>der</strong>artiger Zusammensetzung<br />
und in solch' zierlicher und verhältnißmäßig korrekter Gestalt sehen<br />
lassen, wie sie <strong>der</strong> als eifriger Heraldiker bekannte Herzog Philipp<br />
II. aufgestellt und während seiner Herrschaft zu führen gewohnt<br />
war.<br />
Schlagen wir jetzt die gegen die Nordseite <strong>der</strong> Kirche gewendete<br />
Deckelseite des Schreines zurück.<br />
Da liegt sie lang und starr hingestreckt, die Füße gen<br />
Osten gerichtet — die reckenhaft stattliche Gestalt Herzog Barnims<br />
VI. — die kalte Ruhe des Todes ist über sie ausgegossen<br />
und die unelastische Lage <strong>der</strong> Glie<strong>der</strong>, die geschlossenen Augen,<br />
die bleiche Stirn, <strong>der</strong> leise, wie von unendlichem Wehe geöffnete<br />
Mund — sie erzählen die schmerzliche Geschichte jener letzten<br />
jammervollen Zeiten, Tage und Stunden, welche <strong>der</strong> Vernichtung<br />
eines in <strong>der</strong> Blüthe seiner Kraft erliegenden Mannesdaseins<br />
vorausgegangen sind.<br />
Die erste Empfindung des Betrachters ist kaum eine wohlthatige<br />
zu nennen; man kann nicht an<strong>der</strong>s glauben, ^s daß<br />
sich ein wirklicher Sarg aufthue und ein wohlerhaltener Leichnam<br />
einem daraus entgegenstarrt. Erst nach einiger Sammlung läßt<br />
sich eine Stimmung gewinnen, ruhig und gefaßt genug, die<br />
7*