Baltische Studien. - Digitalisierte Bestände der UB Greifswald

ließen sich im Hause von ihren Frauen zum Hausbedarf? allerlei
Kleiderstoffe weben, welches sie statt eines tuchenen Rockes mit
Boy trugen. Die Landleute begannen sogar vor dem sieben-
jährigen Kriege Manches zu färben, was jedenfalls ein Fortschritt
war, jedoch protestirten oie städtischen Färber gegen solche Aus-
schreitungen ländlicher Gewerbthätigkeit.
Man klagte auch darüber, daß der Landmann statt neuer
Kleider sich abgelegte Regimentsmontirungen zulegte und sich so
der Absatz wollener Waaren verringerte*).
Sehr wichtig war in Pommern die Leinenindustrie; es
gab fast kein Haus, in welchem nicht gesponnen und gewedt
wurde. Die Spinnzeit begann hauptsächlich im November und
dauerte den Winter und das Frühjahr hindurch. In den Mo-
naten Juni, Juli, August, September und in der Erntezeit spann
man am wenigsten.
Die Leinewand (Hausleinen) fabrizirte man einmal zum
Hausgebrauche, aber auch andererseits zum Absatz nach dem In-
und Auslande. Eine gute Hausfrau pflegte die Aussteuer an
leinenm Waaren für ihre Kinder selbstständig zu arbeiten oder ar-
beiten zu lassen, die Weber erhielten dann das Garn geliefert.
Aus Pommern waren früher in den günstigsten Jahren
für 100,009 Thlr. Leinewand nach England versandt worden,
wo man dieselbe theils selber verbrauchte, theils nach dem spani-
schen Amerika absetzte. In ^dieser Zeit fand die Ausfuhr nach
Holland und England in dem zum Theil unredlich gearbeiteten
Fabrikate ein Hinderniß. Obwohl die Verordnung erlassen war,
die Leinewand nicht aufgerollt, sondern blattweise zum Verkauf
*) Von früher her war den Landleuten auch das Tragen hölzerner
Schuhe und Pantoffeln untersagt, aber man kehrte sich zur Betrübniß der
Schufter und Lohgerber nicht mehr an jenes Verbot. Bei Schlawe hatte
ein Dorfschmied sich einen Schleisstein aus Danzig mitbringen lassen nnd
einigen Dorfbewohnern Messer :c. geschliffen. Sofort erfolgte eine De«
mlnciation gegen diese Verpflanzung eines städtischen Gewerbes aus das
Land, jehen Betrieb eines neuen Handwerks ans dem Lande sah mau als
einen Eingriff in die städtische Nahrung an und fürchtete, daß die pommerschen
Städte gleich den polnischen verkümmern würden.