Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin

(22) " waz ob diu minne disen man
twinget als si mich dô twanc ,
und sîn getriulîch gedanc
der minne muoz ir siges jehen ? "
(Parz. 301,22-23)
(23) der besneit in an dem lîbe ,
daz er deheinem wîbe
mac ze schimphe niht gevromen .
(Parz. 657,23-25)
Die hier zu Tage tretende Vielfalt der Konstituentenfolgen wirft einige
Fragen auf: Wie ist diese zu interpretieren? Unterliegen den verschiedenen
Wortfolgen verschiedene syntaktische Status oder repräsentieren sie
allesamt den selben Konstruktionstypus? Befinden sich unter den Belegen
mit für Kohärenz untypischer Wortfolge solche, deren Konstituentenfolge rein
durch Reim und Metrum bedingt sind und gar nicht dem natürlichen
Sprachgebrauch entsprechen? Die genaue Beantwortung dieser Fragen muß
künftigen Studien überlassen werden, die sich umfassender mit der mhd
Wortstellung beschäftigen. Aussagen über die mhd Infinitivsyntax müssen
hier folglich zum großen Teil recht spekulativ bleiben. Im Hinblick darauf
erschiene eine Behauptung als recht waghalsig, alle Belege, die nicht die für
Kohärenz typische Wortfolge aufweisen, als inkohärent zu bezeichnen.
Eine grundlegender Unterschied zum Nhd läßt sich aber trotzdem feststellen:
Ein großer Teil der herangezogenen (Prä)MV-Belege weist eine für
den heutigen Sprachgebrauch absolut unverträgliche Wortstellung auf: das
betrifft 18 (von 33) Vorkommen von müezen und 14 (von 38) von mugen.
Diese Abweichungen bestehen in der Extraposition des Infinitivs mit und
ohne Komplement, deren Unverträglichkeit fürs Nhd Wurmbrand (2001:
292ff.) zeigte. Diese vom nhd Gebrauch unterschiedlichen Belege kommen
in derart großer Zahl vor, daß Reim und Metrum wohl kaum in jedem Fall für
ihren abweichenden Charakter verantwortlich sind. Folglich existieren im
Mhd mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Konstruktionen, die
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