Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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epistemische MV-Formen, nicht, daß sich das System der EMV erst viel<br />
später herausgebildet hat, sodaß von polyfunktionalen MV nach obiger<br />
Definition im Ahd noch gar nicht die Rede s<strong>ein</strong> kann. Auch das DWB kann<br />
k<strong>ein</strong>e Belege von EMV vor dem Mhd aufweisen.<br />
Es sch<strong>ein</strong>t somit für die deutschen MV tatsächlich <strong>ein</strong>en GR-Kanal zu<br />
geben, der bei semantisch geeigneten Vollverben beginnt und zumindest bis<br />
zur Entwicklung <strong>ein</strong>er epistemischen Variante führt.<br />
3.3 Voraussetzungen für die Herausbildung EMV.<br />
Da MV offenkundig nicht von Anfang an mit <strong>ein</strong>er epistemischen Lesart<br />
versehen waren, untersuchen Abschnitt 3.3 & 3.4 die Umstände ihrer<br />
Herausbildung. Drei Faktoren werden immer wieder mit EMV in<br />
Zusammenhang gebracht: Kohärenz, Aspekt und Anhebung. Im Anschluß<br />
folgt <strong>ein</strong>e kurze Analyse, die bewertet, wie wichtig sie in der diachronen<br />
Entstehung waren. Als empirische Grundlage dafür dient vor allem Wolframs<br />
Parzival.<br />
3.3.1 Starke und obligatorische Kohärenz.<br />
Die meisten Ansätze zur Infinitivsyntax in der Tradition von Bech (1955/57)<br />
sehen in der obligatorischen Kohärenz <strong>ein</strong>e wesentliches Merkmal der MV,<br />
so unter anderen Grewendorf (1987: 128), Kiss (1995), Öhlschläger (1989)<br />
und Reis (2001). Reis (2001: 310) macht ihr modifiziertes Konzept der<br />
starken Kohärenz sogar für die mögliche epistemische Interpretation der MV<br />
verantwortlich. Starke Kohärenz (das heißt: obligatorische Kohärenz auf der<br />
Basis des 1. Status) gewährleistet die nach Ansicht Reis´ (2001: 308) für Epistemizität<br />
notwendige Transparenz des regierenden Verbs gegenüber dem<br />
Infinitivkomplement. Wurmbrand (2001: 292ff.) hingegen stellt fest, daß<br />
epistemische Verben mit Infinitiv k<strong>ein</strong>e Extraposition desselben dulden; mit<br />
anderen Worten: diese Verben sind obligatorisch kohärent.<br />
Läßt sich für diesen Verdacht des engen Zusammenhangs zwischen<br />
Kohärenz und Epistemizität auch diachrone Evidenz finden? Eine<br />
Untersuchung der Syntax der MV in Wolframs Parzival, der aufgrund s<strong>ein</strong>es<br />
Umfangs hierfür besonders geeignet ersch<strong>ein</strong>t, gibt mehr Aufschluß darüber.<br />
Kohärenz offenbart sich (wie Abschnitt 1.2.2 bereits zeigte) topologisch, in<br />
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