Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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neue Kategorie, die FR-Prädikate, zum Ergebnis hatte. Eine solche<br />
Hypothese bedarf aber erst vielfältiger empirischer Verifikation.<br />
Angesichts der diachronen Betrachtung der MV erweist sich<br />
Polyfunktionalität jedoch als fragwürdiges Kriterium zur Definition <strong>ein</strong>er MV-<br />
Klasse. Denn Polyfunktionalität ist offensichtlich nichts anderes als <strong>ein</strong><br />
Zwischenstadium <strong>ein</strong>er Entwicklung. Die MV des amerikanischen Englisch<br />
weisen zum Beispiel in den meisten Fällen gar k<strong>ein</strong>e deontischen Formen<br />
mehr auf. Möglicherweise schlagen auch die deutschen MV diesen Weg <strong>ein</strong>.<br />
Mit dem Verlust ihrer nicht-epistemischen Formen verlören diese dann aber<br />
auch ihre Polyfunktionalität, sodaß sie der Intension des von Reis (2001)<br />
vorgeschlagenen MV-Begriff nicht mehr entsprächen.<br />
Eine wissenschaftlich brauchbare Definition <strong>ein</strong>er exakten MV-Klasse<br />
sch<strong>ein</strong>t mit an Sicherheit grenzender Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit gar nicht möglich zu<br />
s<strong>ein</strong>, weswegen jeglicher Versuch, <strong>ein</strong>e solche ohne rhetorische Akrobatik zu<br />
formulieren, letztendlich zum Scheitern verurteilt ist – so muß auch die<br />
vorliegende Arbeit daran scheitern.<br />
Doch diese Fragen der Definition und der Klassifikation stehen nur im<br />
Hintergrund. Wesentlich sind vielmehr die Zusammenhänge zwischen den<br />
verschiedenen Eigenschaften der beobachteten Verben sowie zwischen<br />
diesen selbst, hier die wichtigsten:<br />
• Alle epistemischen Verben sind obligatorisch kohärente<br />
Anhebungsverben, mit anderen Worten FR-Prädikate.<br />
• Zwischen der epistemischen und nicht-epistemischen<br />
Lesart bestehen Präferenzen hinsichtlich syntaktischer<br />
Distribution, Subjektwahl und Aspekt des <strong>ein</strong>gebetteten<br />
Infinitivs.<br />
• Epistemizität läßt sich hinsichtlich ihrer temporalen<br />
Spezifikation in futurische Epistemizität (FutE) und<br />
präsentische Epistemizität (PräE) unterscheiden. Während<br />
die meisten epistemischen Verben mit beiden Arten<br />
verträglich sind, dulden drohen und versprechen aufgrund<br />
ihrer Semantik nur FutE-Komplemente.<br />
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