Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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5. Abschließende Betrachtungen.<br />
Der Begriff ”Modalverb” hat sich im Laufe der Untersuchung als ungenau<br />
erwiesen, sodaß s<strong>ein</strong>e wissenschaftliche Tauglichkeit in Frage gestellt<br />
werden muß.<br />
Den Ausgangspunkt der Arbeit stellte <strong>ein</strong>e Sammlung von Kriterien dar, die<br />
gem<strong>ein</strong>hin als Eigenschaften und Besonderheiten der MV betrachtet wird.<br />
Wir schlossen uns Öhlschlägers (1989) Kritik diesbezüglich an und weiteten<br />
diese sogar noch aus: <strong>ein</strong>e bloße An<strong>ein</strong>anderreihung von Eigenschaften<br />
besitzt k<strong>ein</strong>e große Erklärungskraft. Insofern bestand unsere Aufgabe darin,<br />
möglichst großen Zusammenhang zwischen den verschiedenen<br />
Eigenschaften herzustellen. Zwei von ihnen erwiesen sich als zentral:<br />
Polyfunktionalität und FR beziehungsweise obligatorische Kohärenz.<br />
Im Zuge der Analyse stellte sich aber heraus, daß <strong>ein</strong>e intensionale<br />
Definition <strong>ein</strong>er hinreichend homogenen MV-Klasse, die nur die traditionellen<br />
sechs Lexeme können, müssen, dürfen, sollen, wollen und mögen umfaßt,<br />
nicht möglich ist. Eine r<strong>ein</strong> extensionale Definition läßt sich aber<br />
wissenschaftlich nicht rechtfertigen. Somit waren wir genötigt, auch andere<br />
Lexeme mit<strong>ein</strong>zubeziehen, die sich ähnlich verhalten: vor allem (nicht)<br />
brauchen aber auch werden, drohen, versprechen und sch<strong>ein</strong>en.<br />
Ähnlich wie Reis (2001) waren wir folglich bestrebt, die MV als die <strong>ein</strong>zigen<br />
polyfunktionalen Lexeme zu definieren und zumindest obligatorische<br />
Kohärenz beziehungsweise FR als Bedingung für ihre Epistemizität<br />
anzusehen. Damit waren aber noch nicht alle Fragen geklärt. Wieso verfügen<br />
manche MV-Lexeme über <strong>ein</strong>en transitiven Gebrauch andere aber nicht?<br />
Warum konstruiert wollen als <strong>ein</strong>ziges MV in s<strong>ein</strong>er epistemischen Variante<br />
als Kontrollverb? Wieso haben möchte und dürfte ihre Konjunktivbedeutung<br />
weitgehend verloren? Wieso lassen sich sch<strong>ein</strong>en und drohen auch ohne<br />
Infinitiv epistemisch interpretieren? All diese Fragen lassen sich in der<br />
synchronen Sprachwissenschaft gar nicht oder nur mühsam beantworten.<br />
Mehr Durchblick verschafft hier <strong>ein</strong> diachroner Ansatz. Anhand Lehmanns<br />
(1995) Konzept des GR-Kanals läßt sich <strong>ein</strong>iges der Formenvielfalt der MV<br />
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