Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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der Reihung der Satzglieder. Kohärente Konstruktionen sind nur dort von<br />
inkohärenten zu unterscheiden, wo das übergeordnete statusregierende<br />
Verb (oder gegebenenfalls dessen Partikel) die letzte Position im Satz<br />
<strong>ein</strong>nimmt. Da MV nicht zu den Partikelverben zählen und im Parzival nicht in<br />
periphrastischen Tempora vorkommen, verbleiben all<strong>ein</strong>e jene Sätze für<br />
unsere Zwecke, in denen das Verb in der finiten Form an letzter Stelle steht.<br />
Doch damit der Erschwernisse noch nicht genug. Denn erstens unterliegt das<br />
Mhd nicht zwangsläufig den gleichen Wortstellungsbeschränkungen wie das<br />
Nhd, und zweitens bedient sich Wolframs Parzival der gebundenen Rede.<br />
Folglich ist der darin befindliche Sprachgebrauch nicht mit dem natürlichen<br />
gleichzusetzen, sondern bedient sich im Gegensatz zu diesem in <strong>ein</strong>em viel<br />
großzügigeren Maß markierter Wortstellung, im äußersten Fall womöglich<br />
sogar ungrammatischer Konstruktionen. Vorsicht ist also geboten.<br />
Die Untersuchung beschränkt sich auf Vorkommen von MV in<br />
Distributionen, in denen epistemische Formen am ehesten zu erwarten sind,<br />
also auf Formen im Indikativ Präsens, die im Zuge der Ausarbeitung in ihrer<br />
Vollständigkeit systematisch erfaßt und beurteilt wurden. 56 Die Analyse<br />
konzentriert sich auf zwei in ihrer Entwicklungsgeschichte und Semantik<br />
äußerst unterschiedliche Verben mugen und müezen. Ersteren gestehen<br />
Abraham (2003b), Diewald (1999: 385), Fritz (1997: 94f.) und Leiss (2003a)<br />
bereits seit ahd Zeit <strong>ein</strong>e epistemische Lesart zu. Letzteres läßt im<br />
Gegensatz zu jenem <strong>ein</strong>e klare semantische Unterscheidung von<br />
epistemischer und deontischer Variante zu.<br />
Was das topologische Verhalten der (Prä-)MV im Parzival betrifft, ist<br />
folgendes festzustellen. In der Tat treten mugen und müezen in derart großer<br />
Zahl in fremdartigen Konstruktionstypen auf, die dem heutigen Sprachgebrauch<br />
völlig fremd sind, daß nicht mehr davon ausgegangen werden kann,<br />
daß in diesen Fällen stets markierte Wortstellung vorliegt, die auf Gründe des<br />
Reimes und des Versmaßes zurückzuführen ist.<br />
So finden sich zuhauf Verberst (V1)- und Verbzweit (V2)-Sätze mit<br />
Extraposition von nominalen Komplementen und auch Adjunkten, die in den<br />
meisten Fällen jeweils vom Infinitiv regiert werden:<br />
56 Siehe Appendix.<br />
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