Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
sich somit von den ”herkömmlichen” MV etwas abhebt. Viel entscheidender<br />
ist aber, daß sich brauchen vor allem in der gesprochenen Sprache auch den<br />
1. Status angeeignet hat, der nur <strong>ein</strong>er geringen Zahl an Verben zu Teil wird.<br />
Somit spricht eigentlich alles dafür, brauchen als gleichwertiges MV zu<br />
betrachten. Von <strong>ein</strong>em funktionalen Standpunkt wäre sogar fahrlässig, nicht<br />
derartig vorzugehen. 31<br />
Etwas schwieriger gestaltet sich der Sachverhalt im Beispiel von werden. 32<br />
Wie schon angedeutet sch<strong>ein</strong>t auch dieses Element auf <strong>ein</strong>e gewisse Art und<br />
Weise polyfunktional zu s<strong>ein</strong>. Ebenso teilt es mit den MV die Eigenschaften<br />
der obligatorischen Kohärenz, die in diesem Fall auf die Rektion des 1.<br />
Status zurückzuführen ist, sowie die Identität von Infinitivsubjekt und<br />
Matrixsubjekt:<br />
(70) a. daß wiri unsi darüber freuen werden.<br />
b. *daß wiri unsi werden darüber freuen.<br />
Außerdem läßt werden sowohl perfektive als auch imperfektive<br />
Infinitivkomplemente zu.<br />
(71) a. Gleich wird das Dach <strong>ein</strong>stürzen.<br />
b. Morgen werde ich den ganzen Tag schlafen.<br />
Während sich werden in den übrigen Punkten hinsichtlich s<strong>ein</strong>er<br />
epistemischen Variante genauso verhält wie die übrigen MV, unterscheidet<br />
sich s<strong>ein</strong>e nicht-epistemische Lesart zum Teil gravierend vom üblichen<br />
Verhalten der DMV. 33 Da werden + INFINITIV im Gegensatz zu den DMV als<br />
r<strong>ein</strong>er Futurmarker dient, weisen die Infinitivkomplemente automatisch<br />
31<br />
Im weiteren Verlauf der Arbeit werde ich sehr oft darauf verzichten, (nicht) brauchen in den<br />
Satzbeispielen mit<strong>ein</strong>zubeziehen. Da dies erforderlich machen würde, aufgrund s<strong>ein</strong>er<br />
negativen Polarität, ausschließlich auf negierte Sätze zurückzugreifen, was zu Ungenauigkeiten<br />
führen könnte. M<strong>ein</strong> Vorgehen bedeutet aber k<strong>ein</strong>eswegs, daß (nicht) brauchen in den<br />
betreffenden Kontexten ausgeschlossen ist. Ich gehe vielmehr davon aus, daß es aufgrund der<br />
auffallenden Ähnlichkeiten auch in allen mit müssen verträglichen Distributionen auftreten kann.<br />
32<br />
Untersuchungen von werden im Zusammenhang mit den MV liegen unter anderen von Vater<br />
(1975) und Erb (2001) vor.<br />
33<br />
Vater (1975) behauptet sogar, daß werden + INF in k<strong>ein</strong>em Fall als Futurmarker auftritt,<br />
sondern immer nur als EMV. Denn im Deutschen ist dieses Hilfsverb gar nicht notwendig, um<br />
Zukunftsbezug zu kodieren. Das kann unteranderem durch die Aktionsart oder durch<br />
Temporaladverbien erfolgen.<br />
45