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Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin

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wahrnehmbare Einheiten zurückgreifen kann, beschäftigt sich die Syntax mit<br />

Beziehungen zwischen Elementen, die sich nur mithilfe der jeweiligen<br />

Sprachkompetenz rekonstruieren lassen. Ausgehend von der Annahme, daß<br />

sich die gwd Syntax von ihren mhd und ahd Vorläufern unterscheidet, stehen<br />

wir vor <strong>ein</strong>em schweren methodischen Problem: wir müssen uns nämlich der<br />

Möglichkeit bewußt s<strong>ein</strong>, daß syntaktische Konstruktionen in früheren<br />

Sprachständen des Deutschen deutlich anders zu interpretieren s<strong>ein</strong><br />

konnten, als es unsere muttersprachliche Kompetenz vermuten läßt.<br />

So treten die gwd MV in den allermeisten Fällen in Verbindung mit dem<br />

Infinitiv auf, was dazu verlockt, diese Form als standardtypischen MV-<br />

Gebrauch anzusehen. Folglich tendieren Sprecher des nhd häufig dazu,<br />

infinitivlose Vorkommen von MV <strong>ein</strong>fach als Ellipsen aufzufassen. Das heißt<br />

aber noch lange nicht, daß Sprecher der verschiedenen Sprachstufen des<br />

Deutschen immer schon zu ähnlichen Analysen geneigt waren.<br />

Einen bemerkenswerten Beitrag liefert an dieser Stelle das DWB im Eintrag<br />

von sollen. 51<br />

doch gibt es zahlreiche gebrauchsweisen, wo sollen ohne inf. auftritt.<br />

hier ist in vielen fällen der inf. zu ergänzen, und für das heutige<br />

sprachgefühl [m<strong>ein</strong>e Hervorhebung: J.M] ist in allen fällen die<br />

annahme <strong>ein</strong>er ellipse und supplierung <strong>ein</strong>es solchen inf. möglich. die<br />

historische entwicklung macht jedoch wahrsch<strong>ein</strong>lich, dasz in <strong>ein</strong>igen<br />

dieser gebrauchsweisen, wo sollen ohne inf. als vollverb ersch<strong>ein</strong>t, <strong>ein</strong>e<br />

ursprüngliche bedeutung vorliegt.<br />

Der Autor dieses Eintrags trifft, wenn auch nicht ganz explizit, <strong>ein</strong>en<br />

entscheidenden Punkt. Er deutet an, daß das ”Sprachgefühl” über<br />

Generationen hinweg k<strong>ein</strong>eswegs das gleiche bleibt. Er geht sogar noch<br />

weiter und stellt fest, daß Sprecher des ”heutigen Sprachgefühls” <strong>ein</strong>e<br />

Konstruktion womöglich anders beurteilen, als Sprecher aus<br />

vorangegangenen Generationen.<br />

51 Siehe DWB Bd. 16, S. 1468.<br />

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