Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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1500 ausbildete. Das stützt unsere Annahme, daß im Mhd MV in nicht-kohärenten<br />
Formen vorkommen. Inwieweit der Parzival schon MV-Belege mit<br />
epistemischer Interpretation aufweist wird Aufgabe von Abschnitt 3.4 s<strong>ein</strong>.<br />
Auf <strong>ein</strong>ige diachrone Beobachtungen im Zusammenhang mit Kohärenz und<br />
Epistemizität sei dennoch verwiesen. Einige Fälle von epistemischen<br />
Konstruktionen sch<strong>ein</strong>en das Naheverhältnis zwischen (obligatorischer oder<br />
starker) Kohärenz zu widerlegen. So belegen das DWB (Bd.30, 1354) und<br />
Fritz (2000: 274&276) wollen in s<strong>ein</strong>er quotativ-epistemischen Variante in<br />
transitivem Gebrauch mit daß-Satz. Im Falle von wollen kann die Entwicklung<br />
s<strong>ein</strong>es quotativ-epistemischen Gebrauchs somit nicht durch Kohärenz<br />
bedingt s<strong>ein</strong>, da es in diesen Belegen ohne den für kohärente Konstruktionen<br />
ja notwendigen Infinitiv auftritt. Ein weiterer Punkt, in dem sich wollen von<br />
den übrigen MV gravierend unterscheidet. Offensichtlich hat sich s<strong>ein</strong><br />
quotativ-epistemisches Verhalten unabhängig von der Variante mit Infinitiv<br />
entwickelt. Auch sch<strong>ein</strong>en hat s<strong>ein</strong>e epistemische Form vor und somit<br />
unabhängig vom Anschluß des Infinitivs entwickelt, worauf Diewald (2001:<br />
94ff.) schon hingewiesen hat. Darüber hinaus belegt das DWB (Bd. 2, 1345)<br />
auch noch drohen ohne Infinitivanschluß in <strong>ein</strong>er Bedeutung, die s<strong>ein</strong>em<br />
epistemischen Gebrauch entspricht: 63<br />
(24) Es droht <strong>ein</strong> Krieg.<br />
Manche Verben sind also nicht auf den kohärenten Anschluß <strong>ein</strong>es Infinitivs<br />
angewiesen, um epistemisch interpretiert zu werden. Bedeutet dieser Umstand<br />
nun, daß Kohärenz in der Entwicklung von Epistemizität in k<strong>ein</strong>em Fall<br />
<strong>ein</strong>e Rolle spielt? N<strong>ein</strong>, dies ist vielmehr Indiz dafür, daß Kohärenz nicht den<br />
<strong>ein</strong>zigen Weg darstellt, <strong>ein</strong>e epistemische Interpretation zu akquirieren.<br />
Verben wie sch<strong>ein</strong>en oder drohen sind offensichtlich mehr semantische<br />
Komponenten inhärent, die für die Ausbildung <strong>ein</strong>er epistemischen Lesart<br />
wahrsch<strong>ein</strong>lich ersch<strong>ein</strong>t, daß alle als nicht kohärent klassifizierten Belege diesem<br />
Konstruktionstypus zuzuordnen sind.<br />
63 Auch das oft zu den epistemischen Elementen gezählte Anhebungsverb pflegen erwarb s<strong>ein</strong>e<br />
neue Bedeutung offensichtlich unabhängig von der Anbindung des Infinitivs, wie folgender<br />
Beleg nahelegt:<br />
(1) swer ie solher noete phlac<br />
der mac erkennen phîle .<br />
(Parz. 569,8-9)<br />
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