Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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3. Herausbildung der EMV.<br />
Einer wesentlichen Implikation der These, daß das Wesensmerkmal der MV<br />
in ihrer Polyfunktionalität besteht, haben wir bisher kaum Beachtung<br />
geschenkt. Wenn <strong>ein</strong> Verb erst dann als MV bezeichnet werden kann, wenn<br />
es polyfunktional ist, erfaßt unser Begriff von MV die oben untersuchten<br />
Verben erst ab jenem Zeitpunkt, zu dem sie systematisch <strong>ein</strong>e deontische<br />
und <strong>ein</strong>e epistemische Variante ausgebildet haben. An dieser Stelle<br />
ersch<strong>ein</strong>t es als wünschenswert, den Zeitpunkt und die Umstände der<br />
Herausbildung der Polyfunktionalität genauer zu bestimmen, um die MV<br />
besser von ihren Vorläufern abgrenzen zu können. 48<br />
Angesichts der sich bisher offenbart habenden Vielfalt an idiosynkratischen<br />
Eigenschaften der verschiedenen MV-Lexeme, sch<strong>ein</strong>t <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>heitliche<br />
Behandlung aller epistemischen Formen mit wachsenden Schwierigkeiten<br />
verbunden. Ganz zu schweigen von <strong>ein</strong>er gem<strong>ein</strong>samen Betrachtung der<br />
diachronen Entwicklung der EMV. So aussichtslos die Lage aber hier zu s<strong>ein</strong><br />
sch<strong>ein</strong>t, könnte sich <strong>ein</strong> diachroner Ansatz auch als eigentlicher Schlüssel<br />
zum Problem erweisen, weswegen sich Kapitel 3 mit der<br />
Entwicklungsgeschichte der (Prä-)MV, im Speziellen mit der Herausbildung<br />
jenes Merkmals beschäftigt, das wir als wesentlich charakterisiert haben: der<br />
Polyfunktionalität. Darüber hinaus erwarte ich von <strong>ein</strong>er Analyse der<br />
Entstehung dieses klassenkonstituierendes Merkmals der MV weitere<br />
Aufschlüsse über das Wesen der MV selbst.<br />
Bevor wir <strong>ein</strong>en Blick auf die Entwicklung der MV-Syntax werfen können,<br />
bedarf es noch <strong>ein</strong>er groben theoretischen Aus<strong>ein</strong>andersetzung mit jenen<br />
Bedingungen, die all<strong>ein</strong>e im Stande sind, in der diachronen Syntax <strong>ein</strong>e<br />
methodisch zuverlässige Analyse zu gewährleisten.<br />
48 Abraham (2003b) erwägt indes, daß Polyfunktionalität den MV aufgrund ihrer<br />
präteritopräsentischem Wesen schon von Beginn an zu eigen war. Das Ergebnis der folgenden<br />
diachronen Untersuchung liefert aber k<strong>ein</strong>e Evidenz für derartige Überlegungen, noch können<br />
solche <strong>ein</strong>deutig widerlegt werden. Der Umstand, daß bis zum Fnhd k<strong>ein</strong>e systematisch<br />
herausgebildeten EMV vorliegen, spricht aber gegen derartige Erwägungen.<br />
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