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Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin

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Die Sachlage im Deutschen ist nun aber <strong>ein</strong>e andere: <strong>ein</strong>erseits<br />

unterscheiden sich die deutschen MV bis ins Gwd hinauf nicht so drastisch<br />

von den Vollverben wie ihre englischen Gegenstücke (Abraham 2002). Und<br />

andererseits besteht ja der Hauptgrund unserer Annahme <strong>ein</strong>er Reanalyse<br />

darin, die Entstehung der Epistemizität der MV zu erklären. Insofern erfordert<br />

das Deutsche in diesem Punkt gesonderte Behandlung.<br />

Die Formulierung der Reanalyse müßte in etwa wie folgt lauten:<br />

Semantisch geeignete Verballexeme (Prä-MV) werden in bestimmten<br />

Kontexten als EMV reanalysiert, sodaß diese nach der Re-Analyse über zwei<br />

Formen verfügen. Eine wesentliche Voraussetzung für diese Re-Analyse<br />

besteht in der Herausbildung der Opposition [+/-kohärent] um 1500, auf<br />

deren Bedeutung im Zusammenhang mit der Entstehung der EMV schon<br />

Reis (2001: 309) hingewiesen hat. Eine weitere stellt höchstwahrsch<strong>ein</strong>lich<br />

die mit Beginn des Fnhd fast völlig verschwundene Aspektopposition dar, wie<br />

Leiss (2003a) vorgeschlagen hat. Im Gegensatz zum Englischen wurden<br />

aber sämtliche (Prä-)MV-Lexeme nicht zu <strong>ein</strong>er neuen Kategorie ”Modalverb”<br />

zusammengefaßt, zu heterogen erwiesen sich die hier behandelten Verben,<br />

um zu <strong>ein</strong>er homogenen Klasse zusammengefaßt zu werden.<br />

Möglicherweise erfolgte aber zu diesem Zeitpunkt <strong>ein</strong>e kategoriale<br />

Reanalyse dieser Verben zu FR-Prädikaten. Dafür spräche auch Diewalds<br />

(2001: 100) Feststellung, daß eben zu dieser Zeit epistemisches sch<strong>ein</strong>en<br />

erstmals mit (kohärentem) Infinitivanschluß auftritt und somit <strong>ein</strong> Wesensmerkmal<br />

von FR aufweist.<br />

Doch der Versuch, die Herausbildung von EMV durch Reanalyse zu<br />

erklären, bleibt nicht ohne Hindernisse. Erstens kann diese Reanalyse aus<br />

mehreren Gründen nicht alle klassischen MV-Lexeme (können, müssen,<br />

dürfen, sollen, wollen, mögen) umfassen. So hat nach neuestem<br />

Forschungsstand (Fritz 2000: 274f.) wollen s<strong>ein</strong>e quotativ-epistemische<br />

Lesart bereits im Ahd vollständig ausgebildet, die nicht nur mit dem r<strong>ein</strong>en<br />

Infinitiv realisiert wurde, sondern auch transitiv mit daß-Satz. 72 Ähnlich belegt<br />

72<br />

An dieser Stelle ist nun wirklich die Frage zu stellen, inwieweit der quotative Gebrauch von<br />

wollen noch als epistemisch gesehen werden kann. Nicht nur, daß er das <strong>ein</strong>zige Vorkommen<br />

von epistemischen Kontrollverb wäre, beziehungsweise <strong>ein</strong>e Reihe von Effekten zeigt, die die<br />

übrigen EMV nicht aufweisen (siehe Abschnitt 2.1), er müßte dann auch schon um <strong>ein</strong>ige<br />

Jahrhunderte vor der Entstehung der restlichen EMV entstanden s<strong>ein</strong>. Darüberhinaus spricht<br />

auch der Umstand, daß sich wollen mit daß-Satz quotativ interpretieren ließ, dafür,<br />

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