Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
kann von MV erst nach der Entstehung der epistemischen Formen überhaupt<br />
die Rede s<strong>ein</strong>.<br />
Inwieweit sich im Ahd tatsächlich noch k<strong>ein</strong>e epistemische Interpretation<br />
herausgebildet hat, ist in der Forschung umstritten. Abraham (2003b),<br />
Diewald (1999: 385), Fritz (1997: 94f.) und Leiss (2003a,b) nehmen mit<br />
mugan die Existenz <strong>ein</strong>es ahd EMV an, Krause (1997: 95) will neben mugan<br />
auch noch sculan <strong>ein</strong>e epistemische Variante zugestehen. Axel (2001: 44ff.)<br />
ist der gegenteiligen Auffassung, daß von EMV im Ahd noch nicht die Rede<br />
s<strong>ein</strong> kann. Sie zeigt, daß <strong>ein</strong> großer Teil der in Frage kommenden Belege in<br />
Kontexten vorkommt, mit denen zumindest die gwd EMV unverträglich sind:<br />
so steht das MV entweder im Präteritum, in nicht-assertiven oder nichtfaktiven<br />
Kontexten. Das betrifft auch Leiss (2003a), die als Beleg für <strong>ein</strong>en<br />
epistemischen Gebrauch von mugan <strong>ein</strong>en inkompatiblen Fragesatz wählt.<br />
Für alle mugan-Belege besteht jedoch k<strong>ein</strong>erlei semantische Notwendigkeit,<br />
diese als EMV anzusehen. Anders als im Falle der anderen MV, lassen sich<br />
Verben, die in ihrem deontischen Gebrauch <strong>ein</strong>e Möglichkeit ausdrücken, in<br />
vielen Fällen kaum von ihren epistemischen Geschwistern unterscheiden. 53<br />
Ein <strong>ein</strong>ziger Anhaltspunkt, der dagegen spricht, die beiden Vorkommen völlig<br />
gleichzusetzen, existiert jedoch: die deontischen Formen erfahren viel<br />
weniger distributive Restriktionen und können im Gegensatz zu den<br />
epistemischen Varianten zum Beispiel in Fragesätzen <strong>ein</strong>gebettet werden,<br />
wie ich in den Abschnitten 2.1.4 und 2.1.5 anhand des Beispiels von können<br />
gezeigt habe. Nun hat ahd mugan <strong>ein</strong>e vergleichbare Semantik wie gwd<br />
können und tritt mitunter ver<strong>ein</strong>zelt auch noch in archaischen Wendungen in<br />
<strong>ein</strong>em solchen Gebrauch auf. 54 Nichts ist naheliegender, die relevanten<br />
Vorkommen von mugan als dessen deontischen Gebrauch anzusehen.<br />
K<strong>ein</strong>e (semantische) Notwendigkeit besteht gesonderte Formen<br />
anzunehmen. 55 Viel mehr spricht der Umstand, daß die meisten aller in<br />
53<br />
Axel (2001) hat zwar <strong>ein</strong>e Reihe von Diagnostika zur Unterscheidung der beiden Modalitäten<br />
entwickelt, die aber nicht in jedem Fall zur Anwendung kommen können. Die <strong>ein</strong>zige<br />
Restriktion, die sie trifft, liegt darin, daß sie EMV auf assertive, präsentische Kontexte<br />
beschränkt. Dadurch bleiben MV-Vorkommen von können oder ahd mugan in eben solchen<br />
Kontexten meistens ambig zwischen den beiden Modalitäten.<br />
54<br />
Siehe Beispiel (21) in Abschnitt 2.1.4.<br />
55<br />
Auch Leiss´ (2003) Einwand, EMV und DMV unterschieden sich hinsichtlich der aspektuellen<br />
Beschaffenheit ihrer Inifinitivkomplemente, greift hier nicht. Wie sich in Kapitel 2 zeigte, läßt die<br />
deontische Variante von (Möglichkeits-)können Infinitive der selben Aktionsart zu, wie die<br />
epistemische Variante.<br />
90