Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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der epistemischen Lesart hat –, gilt das für sch<strong>ein</strong>en <strong>ein</strong>deutig nicht. Somit<br />
kommen nur noch erstere als MV in Frage. Deswegen kann sch<strong>ein</strong>en nach<br />
unserer Definition aufgrund der fehlenden Polyfunktionalität nicht<br />
hinzugezogen werden. Der selben Auffassung ist Reis (2001: 312). Der<br />
Grund für diesen Unterschied ist darin zu suchen, daß sch<strong>ein</strong>en + INFINITIV<br />
im Gegensatz zu drohen und versprechen niemals als Vollverb mit eigener<br />
Thetazuweisung verwendet werden konnte. Zur Sicherheit und wegen s<strong>ein</strong>er<br />
dennoch großen Ähnlichkeit zu den (E)MV schließen wir aber sch<strong>ein</strong>en noch<br />
nicht aus unserem Vergleich aus.<br />
Eine weitere Eigenschaft, die sich für die MV als unentbehrlich erwies, stellt<br />
die obligatorische Kohärenz dar, die in ihrem Falle durch die Rektion des<br />
ersten Status ausgelöst wird. 47<br />
(33) a. daß die Abgesandte droht, zu spät zu kommen.<br />
(*epistemisch)<br />
b. daß die Abgesandte zu spät zu kommen droht.<br />
(34) a. daß die Abgesandte verspricht, pünktlich zu ersch<strong>ein</strong>en.<br />
(*epistemisch)<br />
b. daß die Abgesandte pünktlich zu ersch<strong>ein</strong>en verspricht.<br />
(35) a. *daß die Abgesandte sch<strong>ein</strong>t, morgen zu kommen.<br />
b. daß die Abgesandte morgen zu kommen sch<strong>ein</strong>t.<br />
Zwar verhalten sich die ”epistemischen” Varianten dieser Verben ebenso<br />
wie die richtigen EMV obligatorisch kohärent, was aber nicht dazu verleiten<br />
darf, jene vorschnell den MV zuzurechnen. Zumindest zwei Aspekte trennen<br />
diese Verben von den bisherigen MV:<br />
Erstens konstruieren die nicht-epistemischen Formen von drohen und<br />
versprechen im Gegensatz zu den DMV optional kohärent. Natürlich könnte<br />
man an dieser Stelle entgegnen, DMV seien grundsätzlich auch Vollverben<br />
und aufgrund dessen ihr obligatorisch kohärentes Verhalten all<strong>ein</strong> auf r<strong>ein</strong><br />
47<br />
Wenn Kontexte, in denen epistemische Verben <strong>ein</strong>gebettet auftreten, auch eher die<br />
Ausnahmeersch<strong>ein</strong>ung darstellen, erlaube ich mir hier zu Zwecken der Veranschaulichung,<br />
Konstituentensätze für die Beweisführung heranzuziehen, anhand derer der Unterschied<br />
zwischen obligatorischer Kohärenz und Inkohärenz deutlicher ersichtlich ist. Auch wenn ich<br />
Wurmbrands (2001) Ansatz gegenüber jenem Bechs (1955/57) den Vorzug gegeben habe, was<br />
die Charakterisierung von Infinitivkonstruktionen betrifft, greife ich in diesem Punkt weiter auf<br />
Bechs Terminologie zurück. Denn im Falle der hier relevanten obligatorischen Kohärenz<br />
besteht kaum <strong>ein</strong> Unterschied zu Wurmbrands Konzept des functional-restructuring.<br />
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