Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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Fritz (1997: 11) sollen in s<strong>ein</strong>em quotativ epistemischen Gebrauch schon im<br />
Mhd des 13 Jahrhunderts. Diewald (1999: 421) hält dem entgegen, daß von<br />
<strong>ein</strong>er systematischen Grammatikalisierung erst ab 1600 die Rede s<strong>ein</strong> kann.<br />
Zweitens besteht die Frage, inwieweit die vorgeschlagene Reanalyse auch<br />
das Maß an Komplexität der Grammatik reduzieren würde. 73 In Lightfoots<br />
Paradebeispiel für das Englische ist dies offensichtlich: Elemente der<br />
Kategorie V beginnen sich zunehmend von den übrigen Elementen dieser<br />
Gruppe zu unterscheiden, bis die Kategorie V <strong>ein</strong> unerträgliches Maß an<br />
Komplexität angehäuft hat, sodaß <strong>ein</strong>e therapeutische Reanalyse nötig wird.<br />
Diese besteht darin, die unregelmäßigen Elemente zu <strong>ein</strong>er neuen Kategorie<br />
”Modal” mit eigener Distribution zusammenzufassen. Das Deutsche<br />
hingegen unterlag k<strong>ein</strong>er so starken kategorialen Umformung, was unter<br />
anderem darauf zurückzuführen ist, daß es im Gegensatz zum Englischen<br />
neben den MV-Vorläufern auch noch andere Präteritopräsentien in ihrer<br />
abweichenden Morphologie behielt. Möglicherweise bestünde die Reanalyse<br />
im Deutschen aber in der Herausbildung der FR-Prädikate.<br />
Drittens stellt sich dann die Frage, wie mit den jüngeren (quasi-)MV<br />
(brauchen, sch<strong>ein</strong>en, drohen, versprechen) verfahren werden soll. Denn<br />
wenn <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>zelnes Verb in der Lage ist, <strong>ein</strong>e epistemische Form zu<br />
erwerben, bestünde ja die Möglichkeit, daß sich auch die jeweiligen<br />
epistemischen Varianten der klassischen MV individuell herauskristallisierten<br />
– womit die Annahme <strong>ein</strong>er derartigen Reanalyse hinfällig würde.<br />
Viertens bleibt noch die Schwierigkeit zu erklären, wie sich denn Reanalyse<br />
mit den neusten Erkenntnissen aus der L1-Erwerbsforschung ver<strong>ein</strong>baren<br />
läßt. Doitchinov (2001: 112&128) kommt zu folgendem Ergebnis: Während<br />
sich Kinder die Mittel zum Ausdruck deontischer Modalität schon innerhalb<br />
der ersten drei Jahren aneignen, sind sie in der Regel erst ab dem achtem<br />
Lebensjahr in der Lage, epistemische Modalität und EMV zu verwenden.<br />
Geht man davon aus, daß die Reanalyse zwischen zwei Generationen<br />
daß sich dieser Gebrauch von wollen syntaktisch ganz klar von den herkömmlichen<br />
epistemischen Formen unterscheidet. Folglich ist wollen wenn überhaupt auf <strong>ein</strong>e andere Art<br />
polyfunktional als die verbleibenden MV.<br />
Für <strong>ein</strong>en weiteren Beibehalt von wollen als MV spricht die Erkenntnis Fritz (2000), daß es in<br />
s<strong>ein</strong>er Zeit als Futurmarker analog zum gwd werden <strong>ein</strong>e tatsächlich epistemische Variante<br />
ausgebildet hatte.<br />
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