Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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entscheidende Kriterium in der obligatorischen Kohärenz ungeachtet<br />
jedweder Statusrektion zu suchen. Diewald (2001: 108) bringt Indizien dafür,<br />
daß sich zumindest sch<strong>ein</strong>en, wie schon brauchen hinsichtlich s<strong>ein</strong>er<br />
Statusrektion den MV anpaßt, in s<strong>ein</strong>er diachronen Entwicklung aber erst<br />
später.<br />
Eine frappante Ähnlichkeit zwischen MV und drohen und versprechen ist<br />
dennoch zu verzeichnen: Auch in den verblaßten Bedeutungen der<br />
epistemischen Varianten dieser Verben spiegeln sich zentrale Aspekte der<br />
Semantik des Vollverbs wieder. Das entspricht ganz dem typischen MV-<br />
Verhalten, wie es Abraham (2003b) oder Diewald (1999) festgestellt haben.<br />
Im Gegensatz zu den MV kann im Falle der epistemischen Varianten von<br />
drohen und versprechen von syntaktischen Reflexen der nicht-epistemischen<br />
Form k<strong>ein</strong>e Rede s<strong>ein</strong>.<br />
2.2.2 Lassen sich ”sch<strong>ein</strong>en”, ”versprechen”, ”drohen” epistemisch<br />
interpretieren?<br />
Abschnitt 2.2.1 ließ uns im Zweifel darüber, inwieweit drohen und<br />
versprechen den MV zuzurechnen wären, inwieweit sich die in ihnen<br />
offensichtlich zu Tage tretende Polyfunktionalität mit jener der MV deckt. Das<br />
bedarf zunächst <strong>ein</strong>er Klärung der Frage, ob diese Verben überhaupt <strong>ein</strong>e<br />
mit den EMV vergleichbare Interpretation zulassen. Der Vollständigkeit<br />
halber lassen wir in unserer Untersuchung das bereits disqualifizierte<br />
sch<strong>ein</strong>en nicht außer Acht, womöglich ist dieses tatsächlich <strong>ein</strong> r<strong>ein</strong>es EMV,<br />
wie es Wurmbrand (2001: 205ff.) nahelegt.<br />
Während Reis (2001: 311ff.) sch<strong>ein</strong>en volle epistemische Interpretation<br />
zugesteht, stellt sie diese im Falle von drohen und versprechen aus zweierlei<br />
Gründen in Abrede: erstens erfordert die Herausbildung <strong>ein</strong>er epistemischen<br />
Lesart aus <strong>ein</strong>em Vollverb, daß dieses stark kohärent konstruiert, das heißt,<br />
obligatorisch kohärent bei Rektion des 1. Status. Folglich kann zweitens die<br />
zweite Lesart dieser beiden Verben k<strong>ein</strong>e epistemische s<strong>ein</strong>, da in ihr – so<br />
Reis – der Sprecher die Faktizität nicht epistemisch, sondern durch s<strong>ein</strong>e<br />
negative oder positive Einstellung relativiert.<br />
Ich bin aber der Auffassung, daß diese Verschiedenheit in der Art der<br />
Relativierung k<strong>ein</strong>en hinreichenden Grund ausmacht, drohen und<br />
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