Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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Für <strong>ein</strong>e epistemische Deutung in allen diesen Beispielen spricht, daß die<br />
Quelle, von der der Zwang ausgeht, k<strong>ein</strong>e belebte ist, sondern eher <strong>ein</strong>e<br />
abstrakte. Dennoch deutet das Verhalten <strong>ein</strong>iger dieser Belege ganz klar auf<br />
das Vorliegen nicht-epistemischer Lesart hin. So involvieren weder (49) noch<br />
(52) das für EMV konstitutive Element der Vermutung, <strong>ein</strong>e solche wäre in<br />
diesen Beispielen sogar mit dem Kontext der Erzählung nur schwer in<br />
Einklang. Viel eher liegt hier offensichtlich <strong>ein</strong> Gebrauch von müssen in<br />
Analogie zu (54) vor:<br />
(54) Wenn ihm nicht gleich jemand die Wunde verbindet, muß er<br />
verbluten.<br />
In (51) wiederum ersch<strong>ein</strong>t müezen in <strong>ein</strong>em Kausalsatz <strong>ein</strong>gebettet – <strong>ein</strong><br />
Kontext, der Öhlschläger (1989: 208) und Reis (2001: 297) zu Folge<br />
Epistemizität nur schwerlich duldet.<br />
(50) und (53) stellen die <strong>ein</strong>zigen Belege aus dem Korpus dar, die näher als<br />
Vorkommen von EMV in Frage kommen. Der Kontext spricht sogar sehr<br />
dafür, daß in diesen beiden Fällen tatsächlich <strong>ein</strong>e Vermutung involviert ist.<br />
In (50) kommentiert Obîe die Ankunft Gâwâns, den sie s<strong>ein</strong>em Äußeren zu<br />
urteilen nach, für <strong>ein</strong>en Händler hält, woraus sie weiter schließt (expliziert<br />
durch das Verb müezen), daß alsbald <strong>ein</strong> Markt s<strong>ein</strong>e Zelte aufschlagen<br />
wird. In (53) folgert Artûs aus dem Umstand, daß sich Feirefîz auf derart<br />
weite Reisen begibt, daß dieser im Dienst <strong>ein</strong>er sehr trefflichen Dame stehen<br />
muß – da er sonst k<strong>ein</strong>en Grund hätte, <strong>ein</strong> derartiges Wagnis auf sich zu<br />
nehmen. Angesichts des großen Umfangs der Belege ersch<strong>ein</strong>t es äußerst<br />
zweifelhaft, anhand der beiden epistemischen Belege schon von <strong>ein</strong>er<br />
systematisch herausgebildeten epistemischen Lesart von müezen zu<br />
sprechen. Darüber hinaus bleibt die Frage noch zu klären, welchen Einfluß<br />
die ursprüngliche Semantik von müezen, im Sinne von ”die Möglichkeit<br />
haben” und ”dürfen” für die Entwicklung der epistemischen Form <strong>ein</strong>e Rolle<br />
spielt. Geläufig war sie im Parzival auf alle Fälle noch:<br />
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