Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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von neuen grammatikalischen Eigenschaften erwarben. 8 Im Deutschen ist<br />
dieses Bündel an Merkmalen jedoch von geringerer Bedeutung, da im<br />
Unterschied zum Englischen neben den <strong>Modalverben</strong> auch noch andere<br />
Präterito-präsentien in ihrer spezifischen Form überlebt haben, wie vor allem<br />
das Verb wissen (ich/er weiß-ø, wir wissen, zu wissen-wußte), welches sich<br />
infolge stärker wie <strong>ein</strong> Modalverb verhielte, als die Lexeme sollen und wollen.<br />
Öhlschläger (1989: 5) zufolge gelten auch die beiden morphologischen<br />
Kriterien (ii) und (iii) nur <strong>ein</strong>geschränkt. Die falsche Vorhersage, die durch<br />
(vii) getroffen wird, berührt <strong>ein</strong>en ganz entscheidenden, in der Literatur wild<br />
umstrittenen Aspekt der Modalverbsyntax, nämlich die Beziehung zwischen<br />
Matrixsubjekt und Modalverb. 9 Im Laufe der nächsten Abschnitte setzen<br />
auch wir uns ausführlich mit diesem Verhältnis aus<strong>ein</strong>ander und den<br />
verschiedenen Möglichkeiten, es zu beschreiben. Auch (viii) kann nicht<br />
un<strong>ein</strong>geschränkt Gültigkeit behaupten: selbst wenn manche der sechs<br />
Lexeme transitiven Gebrauch nicht zulassen, existieren Konstruktionen, die<br />
doch <strong>ein</strong>deutig transitiv sind, die nominale Komplemente regieren und auch<br />
nicht auf Ellipsen des Infinitivs zurückgeführt werden können, wie<br />
Öhlschläger (1989: 68ff.) und Diewald (1999: 54) gezeigt haben.<br />
Dieses An<strong>ein</strong>anderreihung von morphologischen, syntaktischen und<br />
semantischen Eigenschaften stellt uns nun vor zwei Probleme. Einerseits<br />
haben sich zahlreiche der Kriterien deskriptiv als nicht adäquat erwiesen, das<br />
heißt ihre Definition war zu eng oder zu breit, um genau diese sechs Verben<br />
allesamt zu erfassen. Andererseits hat <strong>ein</strong> Haufen an ”zufällig”<br />
neben<strong>ein</strong>ander liegenden Beobachtungen k<strong>ein</strong>e Erklärungskraft, das heißt,<br />
dieses bloße An<strong>ein</strong>anderreihen kann auch nicht mit explanativer Adäquatheit<br />
in Einklang gebracht werden. 10 Die Plausibilität <strong>ein</strong>er Theorie steigt nämlich<br />
erst gerade damit, je mehr der beobachteten Aspekte sie im Stande ist, auf<br />
<strong>ein</strong>fache Art zu erklären. Während Öhlschlägers Blick <strong>ein</strong> synchroner bleibt<br />
und er in s<strong>ein</strong>er Abhandlung über die <strong>Modalverben</strong> viele Fragen offen läßt,<br />
gibt es Hoffnung, diese Probleme mit diachronen Methoden zu lösen, um auf<br />
8 Siehe Lightfoot (1979: 101).<br />
9 Wichtige Stellungnahmen zu dieser Debatte befinden sich in: Axel (2001), Diewald (1999),<br />
Kiss (1995), Öhlschläger (1989), Reis (2001), Ross (1969), Suchsland (1987) und Wurmbrand<br />
(1999, 2001).<br />
10 Einen guten Überblick über die ”beiden Adäquatheiten” verschafft Grewendorf (2002: 11ff.).<br />
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