Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin
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Gebrauch als verschieden starke Vermutung des Sprechers, daß <strong>ein</strong><br />
Sachverhalt besteht. Ich halte <strong>ein</strong>e derartige Unterscheidung, wie oben<br />
schon angedeutet für nicht plausibel: Nicht nur, daß diese verschiedenen<br />
Paraphrasierungen in den unterschiedlichen Kontexten nach m<strong>ein</strong>em<br />
Beurteilungsvermögen immer im gleichen Maße verträglich oder<br />
unverträglich sind, gewissermaßen ist auch der Bedeutungsunterschied<br />
zwischen den beiden Paraphrasierungen verschwindend gering. Denn <strong>ein</strong><br />
Sprecher, der <strong>ein</strong>e Vermutung anstellt, tut dies genauso aufgrund irgend<strong>ein</strong>er<br />
Evidenz und aufgrund mehr oder weniger logischer Prinzipien – also analog<br />
zu Öhlschlägers objektiver Epistemizität.<br />
Auch die Annahme, objektive Epistemizität zeichnet sich dadurch aus, daß<br />
der logische Schluß und die Evidenz allgem<strong>ein</strong> zugänglich ist und allgem<strong>ein</strong><br />
geteilt wird, kann unserer Analyse nicht standhalten. Wie wir oben gesehen<br />
haben, korreliert die allgem<strong>ein</strong>e Zugänglichkeit des logischen Schlusses<br />
eben nicht mit den postulierten syntaktischen Besonderheiten der objektivepistemischen<br />
MV. Denn es lassen sich Sätze wie (25) finden, in denen das<br />
EMV zwar den Satzakzent trägt, aber deswegen k<strong>ein</strong>en allgem<strong>ein</strong><br />
zugänglichen Schluß enkodiert. Schließlich gesteht Öhlschläger (1989: 210)<br />
noch weitere Schwierigkeiten <strong>ein</strong>, die s<strong>ein</strong>e Unterscheidung in objektive und<br />
subjektive EMV beschert: <strong>ein</strong>erseits nimmt er diese Trennung aufgrund von<br />
Einstellungsausdrücken (Satzadverbien etc.) vor, die <strong>ein</strong>e den subjektiven<br />
EMV entsprechende Bedeutung haben, auf der anderen Seite können diese<br />
durchwegs genau in jenen fünf Kontexten stehen, in denen er die subjektiven<br />
EMV kategorisch ausschließt. Darum plädiere ich für Analysen, wie jene<br />
Reis´ (2001), die nahelegt, daß sich EMV k<strong>ein</strong>eswegs so homogen verhalten<br />
müssen, wie es aussieht.<br />
Wenn von verschiedenen Arten von Epistemizität die Rede ist, muß im<br />
Falle der MV noch <strong>ein</strong> weiteres Problem berücksichtigt werden. Es stellt sich<br />
nämlich die Frage, inwieweit die nicht-deontischen Varianten von wollen und<br />
sollen ob ihrer eigentümlichen Semantik überhaupt zu den EMV gezählt<br />
werden können. Während die anderen nicht-deontischen Lexeme <strong>ein</strong>e<br />
epistemische Lesart im klassischen Sinne besitzen, das heißt <strong>ein</strong>en<br />
verschieden starken Grad <strong>ein</strong>er Vermutung ausdrücken, verhalten sich die<br />
nicht-deontischen Verwendungen von wollen und sollen deutlich anders.<br />
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