Modalverben - ein Klassenkampf - German Grammar Group FU Berlin

ausspricht. Ein EMV mit Futur- oder Perfektmarkierung würde nun aber
bedeuten, daß eine vergangene oder künftige Vermutung zum
Äußerungszeitpunkt Geltung haben sollte. Und das ist mit Ausnahme der
erlebten Rede nicht möglich, in der ein innerer Monolog, der oft EMV enthält,
ins Präteritum gesetzt wird. Daraus leitet sich die Tempusrestriktion für EMV
ab. Von diesem Phänomen ist wollenEMV übrigens wieder einmal
ausgenommen, da es – wie das semantisch nah verwandte behaupten –
weitgehend unabhängig von der Äußerungszeit eingesetzt werden kann.
Im Gegensatz zu den EMV können DMV Modalitäten enkodieren, die vor
dem Äußerungszeitpunkt bereits beendet sind oder erst danach wirksam
werden.
2.1.4 Unterschiede in der Distribution.
Hinsichtlich ihrer Distribution verhalten sich EMV und DMV in höchstem
Maße verschieden. Betrachten wir zunächst die syntaktische und
semantische Umgebung innerhalb des Satzes.
Zum einen haben die Eigenschaften des Infinitivkomplements Einfluß
darauf, ob das MV als EMV oder DMV aufgefaßt wird: so tritt ein EMV
meistens mit stativem Infinitiv auf, während ein DMV einen perfektiven
Infinitiv mit Handlungssemantik bevorzugt, wie Diewald (1999: 255f.) belegt.
Daraus folgt aber keineswegs, daß ein DMV keine imperfekten Komplemente
erlaubt. Daß diese Kombination nicht zu den abwegigen zu zählen ist, haben
wir schon in 1.3.2 (Beispiele 59,51) gesehen. Abraham (2001, 2002, 2003a)
und Leiß (2003a,b), die ebenfalls festhalten, daß sich MV in diesem Sinne
aspektsensibel verhalten, vertreten nun die Ansicht, daß EMV terminative
Komplemente prinzipiell verbieten. Ich bezweifle aber, daß diese Forderung
in dieser Rigorosität zutrifft, schließlich lassen sich auch Konstruktionen
finden, wie (13) und (14), die zweifellos ein EMV beinhalten.
(13) Sie dürfte spätestens in drei Stunden einschlafen.
(14) Euch dürfte ziemlich schlecht werden.
41 Siehe Marga Reis (2001:298).
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