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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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„Aber zur Wende s<strong>in</strong>d ganze Chemiebetriebe hier kaputt gegangen“.<br />

Sie zögert nicht lange <strong>und</strong> bewirbt sich 1990 für den Öffentlichen Dienst, wird sofort übernommen<br />

<strong>und</strong> ist mittlerweile als Sachgebietsleiter<strong>in</strong> im Amt für Soziale Dienste tätig. Die bittere Erfahrung<br />

der Arbeitslosigkeit hat sie nicht gemacht.<br />

„Ich war während der Wende nur 14 Tage arbeitslos, vom 31.12.90 bis 15.1.91. Und da im Amt b<strong>in</strong><br />

ich bis heute“.<br />

Die Arbeit ist anstrengend, kommt aber ihrem Bedürfnis nach Kontakten entgegen.<br />

„Es ist zwar immer stressig, aber vom Aufgabengebiet ist es schon günstig <strong>und</strong> macht Spaß“.<br />

Kämpferisch setzt sie sich für ihre Belange e<strong>in</strong>, ist nicht bereit, sich im Zuge allgeme<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>sparungen<br />

aufs Abstellgleis schieben zu lassen.<br />

„Ich hatte schon e<strong>in</strong>mal die Kündigung, als es um die Tarifverträge g<strong>in</strong>g. Da nehmen die ke<strong>in</strong>e<br />

Rücksicht, ob Sie schwerbeh<strong>in</strong>dert s<strong>in</strong>d. Das ist zwar <strong>in</strong> letzter M<strong>in</strong>ute zurückgenommen worden,<br />

ich hatte damals schon e<strong>in</strong>en Anwalt. Ob die Kündigung durchgegangen wäre, hätte übers Arbeitsgericht<br />

entschieden werden müssen. Aber da machen die auch vor Ihnen als Schwerbeh<strong>in</strong>derte nicht<br />

Halt. Die ganze Sache ist jetzt vom Tisch, me<strong>in</strong> Arbeitsvertrag ist unbefristet“.<br />

Als Sachgebietsleiter<strong>in</strong> ist sie weisungsbefugt, handhabt ihre Autorität jedoch demokratisch <strong>und</strong><br />

pragmatisch.<br />

„Me<strong>in</strong> Führungsstil? Wir haben e<strong>in</strong> kollegiales Verhältnis. Nicht nur zu den Mitarbeitern, auch<br />

nach oben zur Chef<strong>in</strong>. Wir müssen alle an e<strong>in</strong>em Strang ziehen, sonst wird das gar nichts“.<br />

Insgesamt hat Sonja Willschneider ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gewissermaßen „handfeste“ Art, e<strong>in</strong>en lösungsorientierten<br />

Pragmatismus, der sie mit beiden Be<strong>in</strong>en fest auf dem Boden stehen lässt. So war auch die<br />

Wende für sie ke<strong>in</strong> Ereignis, das sie nur auf „blühende Landschaften“ hoffen ließ. Denn aufgr<strong>und</strong><br />

ihres Rentnerstatus waren ihr Besuche im Westen schon vor der Wende erlaubt, so dass sie auch die<br />

Kehrseite der verme<strong>in</strong>tlichen Glitzerwelt früher als andere kommen sah. Mit ehemaligen DDR-<br />

Bürgern geht sie kritisch um, wirft ihnen e<strong>in</strong>e bestimmte Naivität vor, <strong>in</strong>dem sie zu Wendezeiten<br />

quasi beide Seiten vom Speck wollten.<br />

„Ich habe immer gesagt: ‚Ich darf ja nicht nur die vollen Kaufhäuser sehen, ich muss auch sehen,<br />

wo ich me<strong>in</strong> Geld dazu herkriege‘. Und das haben viele nicht gesehen. Die hatten ihre sicheren<br />

Arbeitsplätze <strong>und</strong> wollten aber auch das andere haben. [...] Ich b<strong>in</strong> auch nicht so euphorisch auf<br />

die Straße gegangen wie viele. Weil die nicht wussten, was auf sie zukommt. Mir nützt e<strong>in</strong> volles<br />

Kaufhaus nicht, wenn ich wie viele jetzt ke<strong>in</strong> Geld habe“.<br />

Und das Westfernsehen, was von den meisten genutzt wurde? Wurde die „kapitalistische Realität“<br />

ausgeblendet?<br />

„Die haben das nicht richtig begriffen. Dass im Westen schon lange Arbeitslosigkeit ist, ist von den<br />

Leuten hier nicht so geguckt oder nicht so registriert worden. Wer sich wie ich so e<strong>in</strong> bisschen mit<br />

Kapitalismus befasst hat, aber das haben die wenigsten! Die Leute haben nur gesehen, dass sie<br />

eben nicht verreisen konnten <strong>und</strong> dass sie das <strong>und</strong> das nicht kaufen konnten. Das andere haben die<br />

nicht gesehen. Und den Leuten, die me<strong>in</strong>e Me<strong>in</strong>ung wissen wollten, habe ich das schon immer so<br />

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