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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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6.3 Über- <strong>und</strong> Unterforderung am Arbeitsplatz<br />

Neben sozialen Faktoren, die Auswirkungen auf Wohlbef<strong>in</strong>den, Leistung <strong>und</strong> Effizienz am Arbeitsplatz<br />

haben, spielen natürlich auch e<strong>in</strong> körperlich <strong>und</strong> geistig adäquates Niveau e<strong>in</strong>e große Rolle,<br />

mit anderen Worten: Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d dann am effizientesten, wenn sie entsprechend ihrer<br />

Fähigkeiten e<strong>in</strong>gesetzt werden. Unter- oder Überforderung führt zu Stress- <strong>und</strong> Belastungssymptomatik.<br />

Sehen Sie sich <strong>in</strong> Ihrer Tätigkeit...<br />

körperlich überfordert 11,2 %<br />

körperlich unterfordert 1,9 %<br />

geistig überfordert 0,5 %<br />

geistig unterfordert 10,3 %<br />

weder-noch 57,9 %<br />

Die Mehrheit der Befragten sieht sich „adäquat gefordert“, mit anderen Worten: die Tätigkeit entspricht<br />

sowohl körperlichen als auch geistigen Kapazitäten. Im Zusammenhang mit Kle<strong>in</strong>wuchs<br />

stutzt man ja zunächst bei der Angabe von körperlicher Unterforderung: hier handelt es sich beispielsweise<br />

um Personen, die typus<strong>in</strong>adäquat beschäftigt s<strong>in</strong>d. So wurde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Interview deutlich,<br />

dass der Befragte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Umschulung zum E<strong>in</strong>zelhandelskaufmann vermittelt wurde, während<br />

se<strong>in</strong>er früheren Tätigkeiten jedoch immer „malocht“ hatte <strong>und</strong> sich jetzt bei überwiegend sitzender<br />

Tätigkeit körperlich völlig unausgelastet fühlt. Diese Situation ist jedoch ausgesprochen selten.<br />

Während also geistige Über- <strong>und</strong> körperliche Unterforderung wenig genannt werden, s<strong>in</strong>d höhere<br />

Werte bei geistiger Unterforderung <strong>und</strong> körperlicher Überforderung zu f<strong>in</strong>den.<br />

Körperliche Überforderung geht bei Kle<strong>in</strong>wuchs <strong>in</strong> der Regel mit mangelhafter Arbeitsplatzanpassung<br />

<strong>und</strong> unzureichender Hilfsmittelausstattung e<strong>in</strong>her. Unabhängig von Tätigkeiten, die per se mit<br />

körperlicher Anstrengung verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d wie Tätigkeiten im Handwerk, kann auch e<strong>in</strong> schlecht<br />

ausgerüsteter Büroarbeitsplatz, der normalerweise nicht mit „körperlich“ assoziiert wird, kle<strong>in</strong>wüchsige<br />

<strong>Menschen</strong> an ihre physische Belastungsgrenze br<strong>in</strong>gen: e<strong>in</strong> nicht angepasster Stuhl <strong>und</strong><br />

außer Reichweite stehende Ordner <strong>in</strong> Regalen führen zum ständigen Kletternmüssen, fehlende Aufzüge<br />

zum oft mühevollen Treppensteigen, fehlende Beh<strong>in</strong>dertenparkplätze vor der Arbeitsstätte zur<br />

schwierigen Überw<strong>in</strong>dung horizontaler Distanzen, ständiges „Über dem Kopf hantieren“ bei Lichtschaltern,<br />

Türgriffen Kaffeemasch<strong>in</strong>en etc. zu muskulären Verspannungen etc. Zudem schafft mangelnde<br />

Arbeitsplatzanpassung für kle<strong>in</strong>wüchsige <strong>Menschen</strong> e<strong>in</strong>e ungute Abhängigkeit von Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> Kollegen, denn sie werden zu e<strong>in</strong>er permanenten Bittstellerhaltung gezwungen<br />

(„Könnten Sie mir bitte dies <strong>und</strong> das geben/br<strong>in</strong>gen/tragen?“ etc.). Auch der psychischen Ges<strong>und</strong>heit<br />

s<strong>in</strong>d diese Verhältnisse nicht unbed<strong>in</strong>gt dienlich.<br />

Andererseits s<strong>in</strong>d mangelnde Anpassungen von kle<strong>in</strong>wüchsigen <strong>Menschen</strong> selbst auch nicht als<br />

unveränderlich h<strong>in</strong>zunehmen. Sie wissen selbst am besten, was sie brauchen, nicht der Arbeitgeber,<br />

<strong>und</strong> so könnte e<strong>in</strong>e von ihnen selbst ausgehende Initiative dazu beitragen, derartige Missstände zu<br />

beseitigen. Hier ist Aktivität <strong>und</strong> Eigen<strong>in</strong>itiative gefragt.<br />

Mit 10,3 % geistig unterfordert ist e<strong>in</strong> Personenkreis mit folgenden Merkmalen: zu mehr als drei<br />

Vierteln Frauen mit höheren schulischen <strong>und</strong> beruflichen Abschlüssen, die als kaufmännische Angestellte<br />

oder Verwaltungsfachangestellte arbeiten. Über die H<strong>in</strong>tergründe kann hier nur spekuliert<br />

werden. Solange aber im Zuge offener oder verdeckter Diskrim<strong>in</strong>ierung kle<strong>in</strong>wüchsigen <strong>Menschen</strong><br />

der Zugang zu höheren Positionen versperrt bleibt, bleibt natürlich e<strong>in</strong> großes Potential an Fähigkeiten<br />

brachliegen <strong>und</strong> ist somit für e<strong>in</strong> System letztendlich kontraproduktiv, da es sich selbst leistungsfähiger<br />

Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen bzw. kompetenter Führungskräfte beraubt.<br />

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