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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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Se<strong>in</strong>e wirkliche oder unterstellte mangelnde körperliche Kraft schränkt berufliche Optionen stark<br />

e<strong>in</strong>, so dass se<strong>in</strong>e ursprünglichen Wunschberufe, R<strong>und</strong>funk- oder Fernmeldetechniker, nicht <strong>in</strong> Frage<br />

kommen.<br />

„Das leuchtete mir e<strong>in</strong>. Ich hätte dann vielleicht nachts alle<strong>in</strong> das Notstromaggregat anwerfen müssen.<br />

Das wäre größenbed<strong>in</strong>gt sehr schwierig gewesen“.<br />

So beg<strong>in</strong>nt er e<strong>in</strong>e <strong>Ausbildung</strong> zum Wirtschaftskaufmann, macht e<strong>in</strong>ige Jahre später das Abitur, an<br />

das sich e<strong>in</strong> Ökonomiestudium anschließt, nicht so sehr aus Neigung, sondern „um besser vorwärts<br />

zu kommen“. Während der gesamten <strong>Ausbildung</strong>szeit arbeitet er <strong>in</strong> diversen VEBs <strong>und</strong> Forschungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

den Blick fest nach vorne gerichtet. Als die Wende kommt, ist Jürgen Schleiermacher<br />

von Anfang an klar, dass das neue System auch neue berufliche Anforderungen <strong>und</strong> Qualifikationserwartungen<br />

mitbr<strong>in</strong>gen wird. Zielstrebig erwirbt er <strong>in</strong> den kommenden Jahren <strong>in</strong> westdeutschen<br />

Unternehmen die notwendigen Abschlüsse <strong>und</strong> das notwendige West-Know-how, „um me<strong>in</strong>e<br />

berufliche Zukunft abzusichern“, so dass er mittlerweile nach mehreren Wechseln <strong>in</strong> die Führungsetage<br />

e<strong>in</strong>es Unternehmens aufgestiegen ist.<br />

Wie hat er die Zeit der Wende erlebt, besonders <strong>in</strong> bezug auf se<strong>in</strong>e berufliche Situation?<br />

„Ich hatte zwar Angst davor, mal gekündigt zu werden zu Wendezeiten, weil da ja auch Leute aus<br />

den alten B<strong>und</strong>esländern, e<strong>in</strong> bisschen die e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong> bisschen Angst gemacht haben, kamen. Aber<br />

das ist nicht so e<strong>in</strong>getreten, wie die das erzählt haben“.<br />

Denn die neuen Kollegen aus dem Westen s<strong>in</strong>d beileibe nicht die nur großen Zampanos, wie viele<br />

Ostdeutsche anfangs befürchten. Zum e<strong>in</strong>en empf<strong>in</strong>det Jürgen Schleiermacher die Westkollegen als<br />

besserwisserisch,<br />

„die haben über D<strong>in</strong>ge gesprochen, die e<strong>in</strong>fach nicht wahr s<strong>in</strong>d“,<br />

zum andern wird bei ihnen auch nur mit Wasser gekocht.<br />

“Das waren Leute, die <strong>in</strong> den alten B<strong>und</strong>esländern e<strong>in</strong>fach nicht hochgekommen s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> das dann<br />

zu Wendezeiten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR versucht haben. Die waren weder qualifiziert<br />

noch hatten sie das notwendige Wissen [...]Da kam e<strong>in</strong>er, der war von e<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>anzamt. Der sagt<br />

dann zu mir: ‘Also wenn ich nicht Beamter wäre, dann wäre ich schon lange arbeitslos“.<br />

So kann er sich manchmal des E<strong>in</strong>drucks nicht erwehren, dass h<strong>in</strong>ter der Schließung vieler ostdeutscher<br />

Firmen nicht nur e<strong>in</strong> uneigennütziger Sanierungsgedanke stand.<br />

„Letzten Endes hat man uns zu Wendezeiten so e<strong>in</strong> bisschen überfahren. Also viele Betriebe platt<br />

gemacht aus Konkurrenzgründen“.<br />

Se<strong>in</strong>e Befürchtungen, nach der Wende den <strong>und</strong> dem Neuen nicht mehr gewachsen zu se<strong>in</strong>, erfüllen<br />

sich nicht, denn er realisiert, dass er m<strong>in</strong>destens genauso kompetent ist wie viele aus dem Westen.<br />

„Ich hatte unterschwellig e<strong>in</strong> bisschen Angst, aber das hat sich irgendwie alles <strong>in</strong> Wohlgefallen<br />

aufgelöst“.<br />

Er begrüßt es, dass <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jetzigen Tätigkeit nur Qualifikation <strong>und</strong> Leistungen zählen, während<br />

das Äußere völlig irrelevant ist. Diese Haltung br<strong>in</strong>gt er mit der Internationalität se<strong>in</strong>es Unternehmens<br />

<strong>in</strong> Zusammenhang.<br />

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