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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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dieses Körperliche gemacht habe, habe ich mir den Rücken unglückseligerweise so kaputt gemacht,<br />

dass ich nicht lange sitzen kann. Und beim letzten Mal war es schlimm, da war ich so e<strong>in</strong>e Art halbseitengelähmt.<br />

Sp<strong>in</strong>alkanalverengung <strong>und</strong> höchst wahrsche<strong>in</strong>lich b<strong>in</strong> ich als K<strong>in</strong>d falsch behandelt<br />

worden“.<br />

Körperlich am Ende, Kampfgeist ungebrochen, so lässt sich Mike Kretschmars derzeitige Verfassung<br />

wohl am besten charakterisieren. So will er auch se<strong>in</strong>en kürzlich abgelehnten Rentenantrag per<br />

Gerichtsbeschluss durchsetzen lassen.<br />

Zwei Themen s<strong>in</strong>d bei Mike als auch bei Iris Kretschmar emotional hoch besetzt: Beh<strong>in</strong>derung <strong>und</strong><br />

Identität als Ost- oder Westdeutsche. Wie haben sie den Umgang mit Beh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong> der DDR erlebt?<br />

Als Ausgrenzung oder Integration?<br />

„Man hatte natürlich die Integration nachher im Betrieb. Aber sonst? Es gab diese, ich sage mal<br />

Knotenpunkte, wo die Beh<strong>in</strong>derten alle waren. Um diesen Ort war das Gang <strong>und</strong> Gäbe, da waren<br />

die Leute daran gewöhnt. Aber wie‘s gemacht wurde, gut, das war höchstwahrsche<strong>in</strong>lich verkehrt.<br />

Und auch mit den Medien. Was gab’s denn schon? Unsere beiden Programme <strong>und</strong> die Westprogramme,<br />

schöne, heile Welt. Woher sollte denn die große, breite Bevölkerung hier wissen, dass es<br />

überhaupt so was wie uns gab?“<br />

Letztendlich empf<strong>in</strong>den beide den früheren Umgang des alten Systems mit Beh<strong>in</strong>derten als e<strong>in</strong>e Art<br />

Sche<strong>in</strong><strong>in</strong>tegration, die der rauhen Realität nicht standhielt.<br />

„Irgendwie war man e<strong>in</strong>gesperrt. Man hat das so nicht empf<strong>und</strong>en, man fand das eigentlich behütet<br />

<strong>und</strong> sicher. Unter den Körperbeh<strong>in</strong>derten <strong>in</strong> der Schule ist das Andersse<strong>in</strong> ja dann weg. Wenn jeder<br />

e<strong>in</strong> Problem hat, warum soll’s da angesprochen werden? Ich f<strong>in</strong>de aber trotzdem Integration, auch<br />

<strong>in</strong> der Schule, besser. Jedes K<strong>in</strong>d weiß gleich, es gibt auch noch andere. Das übt Toleranz. Davon<br />

b<strong>in</strong> ich e<strong>in</strong> Verfechter. Was man selbst erlebt hat, das, was man als schön empfand, dieses unter der<br />

Glocke se<strong>in</strong>, hat ja e<strong>in</strong>e krasse Kehrseite. Man war <strong>in</strong> der DDR zwar wirklich behütet, man hatte<br />

se<strong>in</strong>en sicheren Arbeitsplatz danach, da hatte man wirklich ke<strong>in</strong>e Probleme. Aber was nützt e<strong>in</strong> sicheres<br />

Arbeitsverhältnis <strong>und</strong> du gehst aus dem Betrieb <strong>und</strong> stehst dann mittendr<strong>in</strong>?“<br />

Als Beh<strong>in</strong>derte haben sie nach der Wende besonders von verbesserten Mobilitätshilfen <strong>in</strong> öffentlichen<br />

Verkehrsmitteln profitiert, die ihnen e<strong>in</strong>iges an unwürdigen Verrenkungen ersparen.<br />

„Man kommt heute ganz selbstverständlich <strong>in</strong> die Straßenbahn re<strong>in</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Intercity. Das <strong>und</strong><br />

früher – das s<strong>in</strong>d Welten, krasse Welten, wirklich. Und wenn du da auf den Stufen im Zug rumgeturnt<br />

bist, wie erniedrigend ist das eigentlich!“<br />

Beide s<strong>in</strong>d der Ansicht, dass Ost- <strong>und</strong> Westdeutschland noch lange nicht zusammengewachsen s<strong>in</strong>d.<br />

Gründe dafür sehen sie zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> den unterschiedlichen Löhnen <strong>und</strong> Gehältern:<br />

„Leute an der ehemaligen Grenze sagen: ‚Würde ich 50 Kilometer mehr fahren, würde ich 2000<br />

DM mehr verdienen‘. Und mit was für e<strong>in</strong>em Recht eigentlich? Das ist krass“,<br />

zum andern s<strong>in</strong>d Westdeutsche fitter <strong>und</strong> schneller, wenn es um ihre eigenen (f<strong>in</strong>anziellen) Vorteile<br />

geht,<br />

„Erstmal wissen die mehr, die wissen sogar das, was sie alles vom Arbeitsamt ziehen können. Da<br />

ist die Information da[...]Und wenn ich besser <strong>in</strong>formiert gewesen wäre, hätte ich natürlich me<strong>in</strong><br />

berufliches D<strong>in</strong>gs ganz anders gemacht. Dann wäre ich vielleicht nicht arbeitslos geworden“.<br />

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