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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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„Ich b<strong>in</strong> ab 11 Jahren nicht mehr gewachsen. Me<strong>in</strong>e Mutter ist mit mir nirgendwo h<strong>in</strong>gegangen.<br />

Damals hat man me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach schon Sprechst<strong>und</strong>en <strong>in</strong> der Uni-Kl<strong>in</strong>ik gehabt. Mutter hat<br />

me<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Größe aber als ganz normal h<strong>in</strong>genommen, das war eben so. Es war Krieg. Bombenkrieg.<br />

Der tägliche Lebenskampf stand im Vordergr<strong>und</strong>, nicht, dass ich da nun kle<strong>in</strong> b<strong>in</strong>“.<br />

Sie ist das e<strong>in</strong>zige K<strong>in</strong>d, ihr Vater fällt im Krieg. Sibylle Mannheimer ist e<strong>in</strong>e gute Schüler<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

obwohl aus kle<strong>in</strong>en Verhältnissen kommend, „wir waren arme Leute“, f<strong>in</strong>anziert der Staat ihr<br />

problemlos e<strong>in</strong>e <strong>Ausbildung</strong>.<br />

„Ich fiel also akkurat <strong>in</strong> dieses Schema re<strong>in</strong>, so wie das gewünscht war: K<strong>in</strong>d aus e<strong>in</strong>fachen Verhältnissen,<br />

gute Schulleistungen“.<br />

Der favorisierte <strong>Beruf</strong>swunsch, Journalist<strong>in</strong>, erfüllt sich aufgr<strong>und</strong> der Größe nicht, sie entscheidet<br />

sich für e<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>studium. Während ihrer Praktika stößt sie häufig an ihre körperlichen Grenzen,<br />

das Waschen <strong>und</strong> Umbetten der Patienten erfordert Kraft. Vom Gedanken an e<strong>in</strong>e Facharztausbildung<br />

zur Chirurg<strong>in</strong> nimmt sie Abschied, zu viele Höhendifferenzen s<strong>in</strong>d zu überw<strong>in</strong>den, an den<br />

Patientenbetten, den OP-Tischen, den Labors. Hilfsmittel gibt es nicht, die Fußbank kann nicht alles<br />

kompensieren. E<strong>in</strong>e wie auch immer geartete Sonderrolle ist ihr ohneh<strong>in</strong> unangenehm. Ihr optisches<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsbild dieser Jahre kommentiert sie mit Humor.<br />

„Mit den langen OP-Kitteln sah man aus wie e<strong>in</strong> Weihnachtsengel, also da brauchte man sehr viel<br />

Selbstbewusstse<strong>in</strong>, aber das hatte ich immer, von vornhere<strong>in</strong>“.<br />

Woher sie das Selbstbewusstse<strong>in</strong> nahm?<br />

„Aufgr<strong>und</strong> me<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen Körpergröße. Ich musste mich immer von vornhere<strong>in</strong> durchsetzen <strong>und</strong><br />

da muss man das haben. Mit Schüchternheit, das wäre nicht gegangen, da wäre ich untergegangen“.<br />

Ihre Entscheidung für K<strong>in</strong>derheilk<strong>und</strong>e ist sowohl durch ihre Größe bee<strong>in</strong>flusst als auch durch ihre<br />

E<strong>in</strong>schätzung, <strong>in</strong> diesem Umfeld sei ihre Größe ke<strong>in</strong> großes Thema.<br />

„Es war von der körperlichen Verfassung am günstigsten. Und die K<strong>in</strong>der betrachteten mich als<br />

ihresgleichen, sie hatten ke<strong>in</strong>e Angst vor mir. Me<strong>in</strong>e Chef<strong>in</strong> war auch sehr kle<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>derwuchsmensch.<br />

Die ger<strong>in</strong>ge Körpergröße fiel da nicht so auf. Ich wurde wirklich für voll genommen".<br />

Wie sah es nun aus mit der Akzeptanz bei ärztlichen Kollegen? Wurde sie weniger respektiert?<br />

„Im Gegenteil, ich habe das Gefühl gehabt, dass gerade die Großen, nun ist es vielleicht etwas<br />

günstiger, wenn man da weiblichen Geschlechts ist. Dass die Großen sogar, na ja sagen wir mal<br />

nett zu e<strong>in</strong>em s<strong>in</strong>d. So e<strong>in</strong> Schutzbedürfnis“.<br />

Sybille Mannheimer ist souverän genug, sich durch sche<strong>in</strong>bare Beschützer<strong>in</strong>st<strong>in</strong>kte männlicher<br />

Kollegen nicht <strong>in</strong> die „harmloses – kle<strong>in</strong>es – Frauchen - Ecke“ drängen zu lassen. Sie verfügt über<br />

fachliche Kompetenz, engagiert sich zusätzlich, <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derkrippe betreut, Mütterberatung<br />

durchführt etc. Sie behandelt ganze Generationen junger Patienten <strong>und</strong> schafft sich so e<strong>in</strong>en<br />

großen Patientenstamm.<br />

„Der soziale Status war <strong>in</strong> der Praxis. Mich kannten die Leute alle <strong>und</strong> dann behandelte man schon<br />

die K<strong>in</strong>der der K<strong>in</strong>der. Die Akzeptanz war so groß, dass es auf ger<strong>in</strong>ge Körpergröße nicht mehr<br />

ankam“.<br />

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