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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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Also irgendwie zurück, irgendwoh<strong>in</strong>. Die Eltern erkranken an Typhus, beide sterben auf der Flucht<br />

kurz vor Weihnachten <strong>in</strong>nerhalb von drei Tagen. Alfred Hegeler, 13 Jahre alt, irrt mit se<strong>in</strong>er fünfzehnjährigen<br />

Schwester im Strom der Flüchtl<strong>in</strong>ge umher. Die deutsche Front ist zusammengebrochen,<br />

überall Chaos.<br />

„Wir s<strong>in</strong>d nebenher gefahren, als sie die vom KZ Sachsenhausen nach Wismar hoch getrieben haben.<br />

Die nicht mehr laufen konnten, wurden erschossen. Das s<strong>in</strong>d Häftl<strong>in</strong>ge, hat man uns gesagt.<br />

Aber was Genaues haben wir nicht gewusst. Das waren harte Zeiten. Aber wir mussten ja alle<br />

durchhalten. Der Treck wurde auch von den Russen beschossen <strong>und</strong> wir wollten zum Amerikaner.<br />

Wir haben uns immer mehr an die SS gehalten, die wollten alle nach’m Ami“.<br />

Die beiden K<strong>in</strong>der schaffen es bis zu e<strong>in</strong>er Tante an der Ostsee, die sie aufnimmt. Alfred Hegeler<br />

besucht noch zwei Jahre e<strong>in</strong>e Volksschule, doch niemand kann sich für e<strong>in</strong>en Jungen se<strong>in</strong>er Größe<br />

e<strong>in</strong>e adäquate Arbeit vorstellen.<br />

„Dann g<strong>in</strong>g’s los: was mache ich, was wird aus mir?“<br />

Es sche<strong>in</strong>t als sei se<strong>in</strong>e berufliche Zukunft von e<strong>in</strong>er schicksalhaften Begegnung abhängig gewesen.<br />

Der Zirkus zieht über Land <strong>und</strong> wird per Zufall se<strong>in</strong>er ansichtig.<br />

„Der Zirkus Berol<strong>in</strong>a suchte damals Pferdematerial auf den Dörfern <strong>und</strong> die sahen mich da <strong>und</strong><br />

haben mich gefragt, dass ich mich bewerben sollte <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>“.<br />

Alfred Hegeler spricht nicht über Diskrim<strong>in</strong>ierung, nicht über Zirkusattraktion, nicht über Beh<strong>in</strong>derung.<br />

Im Elend der Nachkriegsjahre ist der Zirkus ist e<strong>in</strong>e Chance, im Leben e<strong>in</strong>en festen Platz zu<br />

f<strong>in</strong>den.<br />

„Und da b<strong>in</strong> ich h<strong>in</strong>gefahren <strong>und</strong> jemand dort sagte: ‚Ja, wir versuchen es mit dir‘. Ich g<strong>in</strong>g noch<br />

nicht <strong>in</strong> die Manege. Ich war zuerst Bürobote“.<br />

Clown zu werden ist nach Ansicht Alfred Hegelers nicht etwas, was man „aus der la ma<strong>in</strong>“ macht,<br />

vielmehr erfordert es Diszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e entsprechende <strong>Ausbildung</strong>, die er <strong>in</strong> der zirkuseigenen<br />

Clownerie absolviert.<br />

„Und was man noch mitbr<strong>in</strong>gen muss? Aus sich herausgehen können. Gelenkig se<strong>in</strong>“.<br />

Schaut man sich se<strong>in</strong>e Fotos an, ist die körperliche Anstrengung <strong>und</strong> Belastung spürbar, wie zum<br />

Beispiel beim Spr<strong>in</strong>gen über die Pferderücken. Im Gr<strong>und</strong>e ist se<strong>in</strong>e Arbeit e<strong>in</strong> „Knochenjob“,<br />

Hilfsmittel gibt es ke<strong>in</strong>e. Sichtbar s<strong>in</strong>d aber auch die Freude <strong>und</strong> der Stolz, wenn er sich vor se<strong>in</strong>em<br />

begeisterten Publikum verneigt. Und als Zirkusmitglied hat er viele Vorteile, die normale DDR-<br />

Bürger nicht haben: er kann reisen, macht viele Tourneen, teilweise auch <strong>in</strong> den Westen, <strong>und</strong> für<br />

Landesverhältnisse verdient er sehr gut, denn der Zirkus wird staatlicherseits hoch subventioniert.<br />

Doch mit dem Ende der DDR endet auch se<strong>in</strong>e Karriere.<br />

„Wir haben zuerst gedacht, es läuft so weiter wie bisher mit dem Zirkus. Aber vieles ist nach der<br />

Wende kaputt gegangen".<br />

Nach der Wende gehört se<strong>in</strong> Zirkus zur ‚Berl<strong>in</strong>er Zirkusunion“, der Nachfolger<strong>in</strong> des DDR-<br />

Staatszirkus. Bis Mitte der 90er Jahre versuchen die Unternehmen zu bestehen, bis schließlich von<br />

der Treuhand das Aus kommt. Die Artisten kommen teilweise bei anderen Unternehmen unter, aber<br />

Alfred Hegeler will nicht mehr. Er hätte nach der Wende weitermachen können, Angebote gibt es<br />

genug, aber für ihn ist e<strong>in</strong>e Ära zu Ende.<br />

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