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FC287a, Kleinwüchsige Menschen in Ausbildung und Beruf Teil

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Und nicht zuletzt klafft die Schere durch e<strong>in</strong>e ihrer Ansicht unterschiedliche Ost- <strong>und</strong> Westmentalität,<br />

durch Geldfixiertheit <strong>und</strong> soziale Kälte im Westen.<br />

„Ich kenne viele, die nach Bayern gegangen s<strong>in</strong>d. Die haben gesagt, das s<strong>in</strong>d herzensgute <strong>Menschen</strong><br />

da <strong>in</strong> Bayern, aber bei uns kannte man das so, dass man nach Feierabend auch noch zusammen<br />

geredet hat. Aber da: ‚Ich habe jetzt Schluss <strong>und</strong> dann fahre ich nach Hause. My home is my<br />

castle‘. Wenn man hier zum Beispiel <strong>in</strong> der Kneipe alle<strong>in</strong> gesessen hat, war das nicht verw<strong>und</strong>erlich,<br />

wenn sich e<strong>in</strong> andere dazugesellt hat. Das war da <strong>in</strong> Bayern als Fremder e<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g der Unmöglichkeit.<br />

Ich kenne mehrere, die s<strong>in</strong>d mit Hurra dah<strong>in</strong>, aber auch mit Hurra wieder zurück.<br />

Geld ist nicht alles. Hier gab es mehr Mite<strong>in</strong>ander“.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs glaubt Mike Kretschmar, dass die Chancen, als Beh<strong>in</strong>derter e<strong>in</strong>e Arbeit zu f<strong>in</strong>den, im<br />

Westen größer als im Osten s<strong>in</strong>d, vorausgesetzt man ist flexibel, was Arbeits<strong>in</strong>halte anbelangt.<br />

„Erstmal hat man da drüben, obwohl man beh<strong>in</strong>dert ist, andere Chancen, wenn man wirklich will.<br />

Da b<strong>in</strong> ich der festen Überzeugung. Also wenn man sich da nicht zu schade ist, etwas primitivere<br />

Arbeit zu machen, kriegt man Arbeit. Man muss dann natürlich mit sich im Re<strong>in</strong>en se<strong>in</strong>. Auf hier im<br />

Osten bezogen aber: du kannst noch so e<strong>in</strong>e primitive Arbeit machen wollen, du kriegst ke<strong>in</strong>e“.<br />

Haben sie selbst schon e<strong>in</strong>mal daran gedacht, Dresden <strong>in</strong> Richtung Westen zu verlassen?<br />

„Wir haben auch schon mal mit dem Gedanken gespielt, aber bei uns, mit den K<strong>in</strong>dern, ist das<br />

schwierig. Deshalb s<strong>in</strong>d wir davon abgerückt“.<br />

Möglicherweise forciert auch die Mitgliedschaft im BKMF die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit der Thematik,<br />

da hier durch die Zusammensetzung der Mitgliedschaft häufig Begegnungen der beiden<br />

Welten stattf<strong>in</strong>den: Beh<strong>in</strong>derte-Ost treffen Beh<strong>in</strong>derte-West, Eltern-Ost treffen Eltern-West.<br />

Iris Kretschmar:<br />

„Gerade bei den Treffen sehen wir das richtig krass, wie groß doch die Schere ause<strong>in</strong>andergeht.<br />

Die Ossis glucken aufe<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> die Wessis glucken aufe<strong>in</strong>ander. Man kommt an die Westdeutschen<br />

nicht so richtig ran, dass man mit denen mal kommuniziert oder von denen mal gefragt wird.<br />

Gerade wir als erwachsene kle<strong>in</strong>wüchsige Mitglieder. Bei manchen Westdeutschen möchte ich behaupten,<br />

dass die e<strong>in</strong>e Fassade um sich herumbauen. Schöne, heile Welt machen“.<br />

Mike Kretschmar empört sich vor allem über die verzerrte Wahrnehmung der Realität, die er bei<br />

westdeutschen BKMF-Mitgliedern zu sehen me<strong>in</strong>t.<br />

„Das ist so hanebüchen, dass da von e<strong>in</strong>em Durchschnittse<strong>in</strong>kommen von 3000 DM netto ausgegangen<br />

wird. Wer sagt, das stimmt, der war noch nie hier im Osten. Wo leben die denn? Wenn wir<br />

als Ossis so was hören <strong>und</strong> die sogenannten Normalen verdienen das noch nicht mal auf normalem<br />

Wege! Da werde ich nicht nur sauer, da kriege ich e<strong>in</strong>en Hals. Entweder machen die Wessis da bei<br />

den Treffen sich selber schöne, heile Welt oder die leben weltfremd. Oder die gehen von denen aus,<br />

die glücklicherweise e<strong>in</strong>e Arbeit haben“.<br />

Letztendlich sehen sich beide immer wieder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Ecke gedrängt, <strong>in</strong> die sie zum<strong>in</strong>dest kampflos<br />

nicht h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> wollen. Sie wollen sich nicht als Bürger 2. Klasse fühlen, weder als Ostdeutsche noch<br />

als Beh<strong>in</strong>derte. Beide s<strong>in</strong>d nicht der Typus „harmoniesüchtig“ <strong>und</strong> so erleben sie es oft, dass sie<br />

anecken <strong>und</strong> provozieren. Ihre Interaktion ist häufig geprägt von der Devise „Angriff ist die beste<br />

Verteidigung“ mit dem dah<strong>in</strong>ter liegenden Wunsch nach gleichberechtigter Akzeptanz. Denn wie<br />

erlebt Iris Kretschmar ihre soziale Umwelt?<br />

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